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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin
Autoren: Ricarda Jordan
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halbe Mauer umrunden, es gab keine weiteren Öffnungen als das Haupttor. Geneviève wappnete sich für einen langen beschwerlichen Marsch. Der Untergrund war felsig und uneben, und es war ziemlich dunkel. Zwar sah man hinter der Barrikade die Flammen auflodern, aber der Wall schirmte sie ab, sie beleuchteten den Außenbereich noch nicht.
    Geneviève atmete tief durch, als sie das Gewicht des schweren Mannes auf ihrer Schulter spürte, und sie musste husten. Aber dann wurde ihr auch das gleichgültig. Sie lebte – und sie wollte leben. In diesem Körper, bei all seiner Vergänglichkeit. Umso besser musste sie auf ihn aufpassen … Lächelnd machte sie sich auf den Weg.
    »Dieser verdammte Kasten brennt wie Zunder!«
    Dietmar schüttete frustriert einen weiteren Eimer Wasser in die Flammen. Als das Feuer aufloderte, hatten die Männer das improvisierte Tribunal sofort aufgelöst und sich ans Löschen gemacht. Ritter und Bauern, die Mädchen und die Männer bildeten eine Reihe vom Brunnen zum Brandherd und arbeiteten in fieberhafter Eile. Lediglich Luitgart beteiligte sich nicht, fassungslos starrte sie in die Flammen.
    Dietmar und die anderen mussten allerdings schnell feststellen, dass sie auf aussichtslosem Posten kämpften. Die Burgmauer war zwar durch Erde und ein paar Steine verstärkt, aber ansonsten bestand die gesamte Trutzburg aus Holz. Billigem Holz, das für eine zwei- oder dreijährige Belagerung zusammengehämmert worden war, nicht für die Ewigkeit. Nach vier Jahren war es morsch und brannte wie Zunder.
    »Lass sie doch einfach abbrennen!«, meinte Rüdiger. »Wenn alle draußen sind …«
    Erst jetzt kamen die Ritter auf den Gedanken, ihre Reihen auf fehlende Männer und Frauen zu durchforsten.
    Conrad von Neuenwalde entdeckte aufatmend seine Gattin am Brunnen, Dietmar und Sophia hatten die ganze Zeit Hand in Hand gearbeitet. Aber Geneviève fehlte. Und Gerlin und Salomon. Und der Bischof.
    »Wo um Himmels willen können sie sein?«, fragte Rüdiger beunruhigt. »Und sie sind wohl kaum zusammen. Geneviève und der Bischof …«
    »Die Kebse und ihr Buhle brennen!« Luitgart von Ornemünde stieß ein hysterisches Lachen aus. »O ja, Herr Rüdiger, ich traf Eure Ketzergattin in den Armen des Kirchenfürsten … und nun trifft sie die gerechte Strafe! Zweimal gleich: eine Ketzerin und Hexe!«
    Rüdiger warf Sophias Mutter einen entsetzten Blick zu, während Dietmar bereits verstand.
    »Ihr habt das gemacht?«, schrie er sie an. »Ihr habt das Feuer gelegt? Wo? Wo genau? Wo waren der Bischof und Geneviève?«
    »Auf dem Wehrgang wahrscheinlich«, rief Sophia. »Muss ja, wenn das Feuer auf der Treppe begonnen hat, wie der Mundschenk sagt. Und meine Mutter ist hier, also legte sie das Feuer zwischen uns und dem Wehrgang!«
    Rüdiger rannte zu dem nächstbesten Pferd und schwang sich hinauf. Das Tier gehörte dem Mundschenk, und es war nicht sonderlich gut geritten, aber Rüdiger griff die Zügel mit beiden Händen. Es ging. Das Pferd folgte. Rüdiger galoppierte an der Burgmauer entlang und blickte hinauf zu den Wehrgängen. Zum Teil loderten auch da schon die ersten Flammen. Aber Geneviève und den Bischof sah er nicht. Dafür ein anderes Paar – und der Anblick ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
    Gerlin und Salomon standen auf dem First des Söllers und hielten einander in den Armen. Um sie herum loderten noch keine Flammen auf, aber das Treppenhaus musste unpassierbar sein, das gesamte Haupthaus, zu dem der Turm gehörte, brannte bereits. Die beiden Menschen auf dem Dach waren hoffnungslos eingeschlossen. In kurzer Zeit musste der Söller einstürzen, und sie würden in den Flammen umkommen.
    »Rüdiger!«
    Während Rüdiger noch wie gelähmt vor Entsetzen zu seiner Schwester und dem Medikus hinaufsah, hörte er Genevièves Ruf. Gleich darauf entdeckte er seine Frau. Geneviève schwankte auf ihn zu, tatsächlich Arm in Arm mit dem Bischof.
    »Rüdiger, wir sind hier. Wir sind durch den Spalt in der Wand heraus. Aber Seine Exzellenz ist verletzt. Kannst du Hilfe holen?«
    Hilfe holen … Rüdiger fand wieder zu sich. »Nicht jetzt …«, beschied er Geneviève und wies wortlos auf den Söller, bevor er sein Pferd wieder in Galopp setzte.
    Geneviève und der Bischof blickten genauso fassungslos auf die Menschen auf dem Turm wie Rüdiger zuvor.
    »O mein Gott«, flüsterte von Eppstein. »Ich … wir … Lasst uns beten.« Der Bischof fiel erneut auf die Knie.
    Geneviève wusste, dass Gebete keine
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