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Das Erbe Der Loge: Roman

Das Erbe Der Loge: Roman

Titel: Das Erbe Der Loge: Roman
Autoren: Hef Buthe
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unteren Rand des bereits stark an Oxydation durch mangelhafte Fixation leidenden Bildes war in Sütterlinschrift »Ausbildungskompanie 108/III/35« mit einbelichtet worden.
    Ich zählte. Es waren zweiunddreißig Offiziere verschiedener Rangstufen. Zweiunddreißig Offiziere der Wehrmacht und zweiunddreißig Soldbücher im Kasten... Eine verrückte Vorstellung ging mir durch den Kopf.
    »Oder wollen Sie lieber, dass ich mit Ihnen schlafe, oder alles zusammen?«, erhöhte sie ihr Angebot.
    Das war zweifellos eine verlockende Vorstellung. Aber ihre Zielstrebigkeit, alles zu geben, um den Inhalt des Kastens zu erfahren, verwirrte mich mehr, als dass es mich erregte.
    »Ich könnte Ihr Vater sein«, wehrte ich mit leicht tadelndem Unterton ab.
    »Haben deutsche Väter keine Lust mehr?«, kam es schnippisch lockend zurück. Dabei zog sie ein Gesicht wie eine freche Göre und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    »Nein. Auch deutsche ›Väter‹ haben keine Lust, belogen zu werden«, erhob ich mich, um aus ihrer langsam zu heiß werdenden Nähe zu kommen. »Sie suchen nach der Vergangenheit Ihres Großvaters. Was ist mit Ihrem Vater? Der müsste doch mehr Interesse daran haben.«
    Hannah winkte dem immer noch wie ein Schrank mit gekreuzten Armen vor der Tür stehenden Joshua, das Appartement zu verlassen.
    »Mein Vater ist vor sechs Wochen bei einem Bombenattentat in Tel Aviv ums Leben gekommen.«
    Sie wechselte so schnell den Gesichtsausdruck und ihre Körperhaltung, dass ein Chamäleon von ihr noch etwas lernen konnte. Plötzlich war sie wieder die Trauer unterdrückende Tochter.
    Einen Moment war ich unschlüssig, ob ich jetzt gehen sollte, oder...
    Ich zog einen Stuhl vom Schreibtisch heran und setzte mich so, dass der Couchtisch, auf dem die Mappe lag, zwischen uns war.
    Sie rutschte wie zum Sprung bereit auf die Sofakante. »Was muss ich noch tun, damit ich endlich erfahre, was in diesem verdammten Kasten ist?«
    Ihre Tonlage nahm jetzt wieder glaubhafte Formen an, und ich verschränkte meine Arme vor der Brust, um auch optisch zu verdeutlichen, dass ich mich auf keine weiteren Spiele einlassen würde.
    »Die Wahrheit sagen. Nichts als die Wahrheit«, brummte ich.
    Sie überlegte einen Augenblick und zündete sich eine Zigarette an.
    »Na gut. Ich bin 1968 in Haifa geboren und arbeite als Dozentin für Deutsch und Geschichte an der Universität von Tel Aviv. Mein Großvater war bis zu seinem Tod 1980 als Diamantenhändler tätig. Mein Vater übrigens auch. Großvater sprach nie ein Wort über seine Vergangenheit und hat sich auch geweigert, Deutsch zu sprechen. Mein Vater lehnte es ab, diese Sprache überhaupt zu erlernen.«
    Es entstand eine Pause, in der sie mit hin und her wandernden Pupillen nach weiteren erzählenswerten Fakten zu suchen schien.
    »Bevor Sie das noch fragen wollen«, fuhr sie nach einer weiteren Zigarette fort, »nein, ich bin nicht verheiratet - zumindest bin ich es nicht mehr, seit mein Mann vor fünf Jahren bei einem Anschlag im West-Jordanland ums Leben gekommen ist —, und Kinder habe ich auch keine. Ich sehe keinen Grund, bei der politischen Lage in Israel Kanonenfutter zu gebären. Auch bin ich weder gläubig erzogen worden, noch bin ich es aus eigenem Antrieb. Sie sehen, dass ich eine ganz normale, moderne Frau bin.«
    Ganz normal.
    Was war daran ganz normal, dass eine junge Frau den Verlust eines Familienmitgliedes nach dem anderen erwähnte, als sei das der Alltag einer Israeli? Und was war daran normal, dass ich mich auch noch schuldig dafür fühlte?
    Was war an dieser Situation überhaupt normal?
    »Haben Sie manchmal, wie zum Beispiel jetzt, größere Mengen Diamanten bei sich?«
    »Wie kommen Sie darauf?«, zog sie die Augenbrauen hoch.
    »Weil Sie mit einem Bodyguard reisen.«
    Ihr bisher kontrolliertes Gesicht flackerte für einen Moment, wie eine Neonlampe, die sich noch einmal zwischen Leben und Tod entscheiden musste.
    Aber sie hatte sich schnell wieder im Griff. »Gut beobachtet. Ich wusste, warum ich Sie um Hilfe gebeten habe ... Ja, ich transportiere auf meinen Reisen manchmal größere Mengen. Meine Mutter führt das Geschäft weiter, und ich spiele den Kurier.«
    Mir kam wieder so eine verrückte Idee. »Wissen Sie, ob Ihr Großvater diesen Diamantenhandel schon vor dem Krieg betrieben hat?«
    Hannah überlegte und zündete sich wieder eine Zigarette an, obwohl die letzte erst halb angeraucht im Aschenbecher vor sich hin qualmte.
    »Sicher bin ich mir nicht. Was
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