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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Autoren: Charlotte Thomas
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wusste, woher sie kam. Er wandte sich ab, um mit Ott in den Palast zu gehen.
    Jobst lag auf dem Boden des steinernen Verlieses und starrte auf die schwere Holztür. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Klappe aufgehen und der Wärter einen schimmeligen Brotkanten oder anderen Abfall hindurchschieben würde, von dem der Turmvogt annahm, es sei die passende Beköstigung für einen, der sowieso in ein paar Tagen sterben sollte. Von den vier Wärtern, die sonst im Turm den Wachdienst versahen, waren nur zwei da. Sie hatten mit den beiden anderen darum gewürfelt, wer bei der Hinrichtung zuschauen durfte; die Zurückgebliebenen hatten verloren. Einer stand unten vor dem Tor, der andere oben auf dem Turm. Früher oder später – vermutlich eher später, meist dachten diese Kerle erst an die Gefangenen, wenn sie selbst ihren Hunger gestillt hatten – käme einer der beiden mit dem Essen, und auf diesen Augenblick war Jobst vorbereitet. Ihm war zugutegekommen, dass er vor der Festnahme genug Zeit zum Nachdenken gehabt hatte. Von dem Moment an, als sie unten vor dem Haus von Hardefusts Base herumgebrüllt hatten, bis zum Erstürmen der Kammer waren ihm kostbare Augenblicke geblieben, in denen er das schmale Lederfutteral mit dem kleinen Klappmesser, das sonst immer in seinem Stiefelschaft steckte, an einer besser geeigneten Stelle unterbringen konnte. Die Klinge war nicht länger als ein Finger, aber tödlich scharf geschliffen und für seine Zwecke völlig ausreichend. Die Stiefel hatten sie ihm natürlich abgenommen, so wie alles, was zu Geld zu machen war. Sie hatten ihn von Kopf bis Fuß abgetastet und nach wertvollen oder gefährlichen Gegenständen durchsucht, doch auf die Idee, in seinen Körperöffnungen herumzustochern, war keiner gekommen.
    Die Einzelheiten seines Fluchtplans hatten bereits kurz nach seiner Einkerkerung in seinem Kopf Gestalt angenommen, und am Anfang der Ausführung hatte die Ermordung seines Zellengenossen gestanden, ein von Flöhen besiedelter alter Trunkenbold, der die meiste Zeit schlief. Ihn vom Leben zum Tode zu befördern war nicht weiter schwierig gewesen. Der Mann lag seit dem frühen Morgen leblos auf seinem Strohhaufen an der Wand.
    Jobst hatte dafür gesorgt, dass das Blut des Alten in der ganzen Zelle verteilt war, damit man es sofort sah, wenn man von außen durch die Klappe spähte. Jobst selbst hatte sich so hingelegt, dass man nur seine Beine vom Knie abwärts im Blick hatte. Er hörte die schweren Schritte im Gang und hielt sich bereit.
    »Zu Hilfe!«, stieß er erstickt hervor, als sich die Klappe auftat. »So helft mir doch!« Gleichzeitig zappelte er mit den Füßen, als säße ihm jemand auf der Brust und hätte ihn bei der Gurgel gepackt.
    Erschrockenes Schweigen folgte auf seine Bemühungen, doch er hörte nicht auf zu zappeln und Würgelaute auszustoßen, und endlich vernahm er, wie der Wärter unter fassungslosem Gestammel die Schlüssel hervorkramte und die Tür des Verlieses öffnete. Als sie aufschwang, war Jobst bereits aufgesprungen, und noch bevor der Wärter seinen Kopf in die Zelle strecken konnte, hatte Jobst ihn gepackt und ihm mit einem Ruck den Hals durchgeschnitten. Er stieg über den zuckenden Körper und wollte loslaufen, aber dann besann er sich und drehte sich wieder um. Das Wams des Wächters war ruiniert, es triefte nur so von dem Blut, das immer noch stoßweise aus der aufgeschlitzten Kehle des Mannes sprudelte. Doch dafür hatte er ein Paar sehr brauchbarer Stiefel an den Füßen. Unter einigen Mühen zog Jobst sie ihm aus, und während der Sterbende seinen letzten gurgelnden Laut von sich gab, streifte er sie über die eigenen Füße. Sie passten perfekt.
    Blithildis und Veit saßen am Tisch, sie verband seinen Armstumpf. Cuntz hatte vor einer Weile gemeint, ihm sei nach einem Nickerchen, er hatte sich in seine Kammer zurückgezogen. Ob er wirklich müde war, vermochte Blithildis nicht zu sagen, doch sie hatte nichts dagegen, mit Veit allein zu sein, auch wenn es sie auf eine Weise verstörte, über die sie lieber nicht nachdenken wollte. Sie schalt sich eine alberne Gans, doch sie konnte nichts gegen das Herzklopfen tun, das sich ihrer jedes Mal bemächtigte, sobald sie in seine Nähe kam. In den letzten Wochen war sie weit häufiger hier gewesen, als es aufgrund schlichter Krankenbesuche gerechtfertigt gewesen wäre. Im Konvent hatte sie es damit begründet, dass sie ihren tot geglaubten Bruder wiedergefunden habe und nun die verlorenen
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