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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Autoren: Charlotte Thomas
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entfernt von ihrem. Dennoch würde er ihnen sicher keine Kunden streitig machen, weil mehr als genug Leute da waren. Der Zug mit dem Verurteilten war noch nicht einmal in der Nähe, und schon hatten sie fast die Hälfte aller Fässer leer gezapft.
    Madlen reichte dem Kunden seinen Becher, nachdem Johann das Geld abkassiert hatte. Die meisten Käufer hatten ihre eigenen Becher dabei, sie ließen sie sich füllen und nahmen sie mit. Andere, die keine Trinkgefäße mit sich führten, bekamen einen der Becher, die Madlen wohlweislich eingepackt hatte, doch dann mussten sie beim Fuhrwerk stehen bleiben und dort austrinken.
    Um Johann nicht ansehen zu müssen, füllte sie rasch einen weiteren Becher, obwohl niemand danach verlangt hatte. Während sie zapfte, trat Johann hinter sie, streifte ihren Zopf zur Seite und küsste kurz, aber zärtlich ihren Nacken. »Habe ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?«, raunte er ihr ins Ohr.
    Sie ließ vor Schreck den Becher fallen, was ihm ein leises Lachen entlockte. Mit heftig klopfendem Herzen wandte sie sich zu ihm um und sah ihn an. Seine Augen in dem vernarbten Gesicht strahlten hell, und seine Zähne blitzten in der Sonne, als er sie anlächelte. Das Herz wollte ihr aus der Brust springen und ihm entgegenfliegen. Sie versuchte, etwas zu sagen, doch sie konnte nicht. Stattdessen nahm sie seine Hände und legte sie um ihr Gesicht. Einige atemlose Augenblicke standen sie so da und sahen sich an, dann tauchte unversehens ein riesenhafter Mann hinter Johann auf. Madlen hatte selten einen größeren Menschen vor sich gehabt, er überragte sogar Johann um einen halben Kopf. Seine mächtige, muskelbepackte Gestalt war in eine Priesterkutte gehüllt.
    »Auf ein Wort, Johann von Bergerhausen.«
    Johann drehte sich zu ihm um. »Seid gegrüßt, Ott«, sagte er, um Höflichkeit bemüht, aber auch mit erkennbarem Misstrauen in der Stimme. »Was führt Euch her?«
    »Seine Exzellenz wünscht Euch zu sprechen.«
    Johann betrachtete ihn mit verengten Augen, dann nickte er langsam. Madlen hatte den Eindruck, dass er nicht allzu überrascht war.
    »Es wird nicht lange dauern«, fuhr Ott fort. Er bedachte Madlen mit freundlichem Lächeln. »Euer Weib kann Euch bald zurückerwarten.«
    Johann drückte Madlens Hand. »Kommst du für eine Weile allein zurecht?«
    Sie nickte nur verdattert. Stumm sah sie zu, wie Johann mit dem Priester in Richtung Dom davonging.
    Johann folgte Ott über den Alter Markt, wo zwischen den Buden ein heilloses Gedränge herrschte. Nur eine durch Stricke abgeteilte Gasse in der Mitte des Platzes war geräumt worden, um Platz für den Tross um den Henkerskarren zu schaffen. Das Stimmengewirr hatte sich verdichtet, am Rand des Markts erhoben sich die ersten erwartungsvollen Rufe aus der Menge. Glockengeläut setzte ein, das Zeichen für den Beginn des großen Spektakels.
    Auf dem Weg zum Bischofspalast sah Johann, wie sich der prozessionsartige Zug mit dem Verurteilten von der Hacht in den Domhof bewegte, angeführt vom Greven, der hoch zu Ross dem Henkerskarren voranritt, auf dem Wendel Hardefust saß. Der Alte hatte den Kopf gesenkt, er sah kein einziges Mal auf. Büttel begleiteten den Tross, allen voran der Scharfrichter, der ebenso wie der Greve zu Pferde erschienen war. Hermanns schreiend rotes Wams leuchtete weithin in der Sonne, und sein stolz erhobenes Haupt kündete davon, dass er seine heutige Aufgabe als achtenswert ansah, gleichviel was andere davon halten mochten.
    Johann war unwillkürlich stehen geblieben und verfolgte, wie der vom Schinder geführte Eselskarren auf den Domhof rollte und anhielt. Büttel zerrten den Delinquenten herab und brachten ihn vor den Blauen Stein. Hermann saß ab und packte den Todgeweihten. Grob stieß er ihn drei Mal gegen den großen, ungefügen Basaltblock und sprach dabei mit weithin tragender Stimme die schicksalhaften Worte, die das Ende von Wendel Hardefust besiegelten.
    »Wir stoßen dich an den Blauen Stein, nie mehr kommst du zu Vater und Mutter heim.«
    In diesem Moment schaute Wendel Hardefust auf, als hätte er geahnt, dass Johann am Rande des Domhofes stehen und darauf warten würde. Ihre Blicke trafen sich. Johann sah jedoch nichts in seinen Augen, weder Reue noch Hass. Sie waren leblos und dunkel, jedes Feuer darin war erloschen. Ebenso gut hätte Hardefust schon tot sein können. Auch Johann fühlte sich leer. Er verspürte weder Hass noch Triumph, nur ein schmerzliches Ziehen, eine Traurigkeit, von der er nicht
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