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Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land
Autoren: Astrid Lindgren
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Ofen!
    Natürlich kann man auch das Eichhörnchen Kurre mit der klugen, alten Oma Eule und Muttis kleinem Olle verquirlen, eine Handvoll feingehackter Blödeleien und ein Dutzend urputziger Späßchen darüber streuen, das gibt ebenfalls einen nicht so üblen Pudding. Denkbar wäre auch ein Eintopf aus den übermütigsten, wunderbarsten Wildfängen der Welt, die, auf den wunderbarsten und zün ftig sten Sätteln der Welt sitzend, die wunderbarsten Pferde der Welt reiten und die höchsten und schwersten Hindernisse der Welt überspringen – aber ja, Rezepte gibt es, nur sind sie allesamt, Gott sei Lob und Dank, nicht mehr in. Heutzutage enthalten Puddinge, Kuchen und Eintöpfe ganz andere Zutaten.
    Nimm eine ges chiedene Mutti – möglichst Klem pnerin von Beruf, aber eine Atomphysikeri n tut es notfalls auch, Hauptsache, sie »näht« nicht und ist auch nicht »lieb« – vermische diese Klempnermutti mit ein paar Teilen Dreckwasser und ein paar Teilen Luftverschmutzung, f ü ge ein paar Teile weltweiten Hunger sowie ein paar Teile Elterntyrannei oder Lehrerterror hinzu, ziehe einige Löffel voll Geschlechtsdiskriminierung darunter und streue schließlich reichlich Beischlaf und Drogensucht darüber, dann hast du ein de ftig es und gepfeffertes Gulasch, das Zacharias Topelius [3] wirklich hätte zusammenzu ck en lassen, falls er davon gekostet hätte.
    Ich weiß, daß ich dir jetzt unrecht tue. Auf derartige Rezepte warst du nicht aus. Kein vernün ftig er Mensch glaubt, daß sich gute Kinderbücher nach Rezepten schreiben lassen, und du weißt natürlich, daß die Gesetze des Schreibens für das Kinderbuch – sofern es annehmbar sein soll – genausogut gelten wie für jede andere Art von Literatur.
    Also Scherz beiseite – du möchtest wissen, wie man ein guter Kinderbuchautor wird, war es nicht so? Offen gestanden glaube ich, daß man es auf dieselbe Art und Weise wird wie Araber oder Chinese. Kein Mensch auf Erden kann dir beibringen, wie du ein gutes Kinderbuch schreiben sollst, und glaube nun um Him m els willen nicht, daß ich die Nase wegen meiner eigenen Bücher hoch trage und m ich deshalb für befugt halte, dir den rechten Weg zu weisen. Nein, aber immerhin habe ich fast ein Vierteljahrhundert lang in einem Kinderbuchverlag gearbeitet, wo ich Manuskripte aller Art vorüberflattern sah, und ich glaube, dort ein wenig von dem gelernt zu haben, was auch dir von Nutzen sein könnte. Nur ein paar Grundregeln – alles andere hängt allein von dir und deiner schöpferischen Begabung ab.
    Zunächst einmal die Sprache. Meiner Meinung nach ist es sogar das wichtigste, daß Sprache und Inhalt des Buches eine harmonische Einheit bilden. Wenn du von dem Eichhörnchen Kurre schreibst (aber tu das nicht, bitte!), wenn du dich also an Fünfjährige, das empfänglichste Eichhörnchenalter, wendest, dann darfst du keine W ö rter und Redensarten benutzen, für deren Verständnis man mindestens zehn Jahre alt sein muß.
    Jetzt bist du verärgert – etwas so Selbstverständliches brauchte ich dir wirklich nicht unter die Nase zu reiben! Vielleicht nicht. Wieso aber kommen einem immer wieder Kinderbücher in die Hände, die von den Kindern, für die sie bestimmt sind, gar nicht verstanden werden können und bei denen man deshalb nicht u m hin kann, sie in eine einfachere Sprache zu übersetzen? Kürzlich las ich ein Buch für sprachlich gut entwickelte Fünfjährige. Da es sich um eine kindliche Geschichte mit Wichteln und Trollen handelte, konnte ein wesentlich höheres Alter kaum die Zielgruppe sein. Ohne zu vereinfachen, las ich den Text des Autors, so wie er dort stand, einem Fünfjährigen vor. Während des Vorlesens fragte ich ihn hin und wieder: Was meint man mit »einem Mißstand abhelfen«? Was heißt »behelligen«? Was bedeutet »der Haussegen hängt schief«? Jedesmal antwortete mir der Fünfjährige:
    »Ich weiß nicht.«
    Ein bedeutender Schriftsteller hat einmal zu mir gesagt: »Meines Erachtens ist die beste Art zu schreiben, so einfach zu schreiben, daß selbst ein Kind es verstehen kann.«
    Und doch schrieb er für intellektuelle Erwachsene. Wieviel nötiger ist es dann erst, daß alle, die für Kinder schreiben, sich so ausdrücken, daß sie von Kindern auch verstanden werden. Einfach schreiben ist auch oberhalb des Niveaus von Fünfjährigen keine Schande, es braucht deshalb noch lange nicht banal und dür ftig zu sein. Die Dichter erzählen uns von Leben, Tod und Liebe, dem zutiefst Menschlichen,
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