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Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land
Autoren: Astrid Lindgren
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machen? Einige müssen ja injeder Generation zu den Wegbereitern der Menschheit gehören, warum nicht auch euer Kind? Ja, aber dann müßt ihr ihm den Weg zum Buch weisen! Und das muß jetzt gleich geschehen, denn findet es den Weg nicht als Kind, dann findet es ihn nie und wird auch nie ein Weltverbesserer, glaubt mir! Ihr könnt ja einmal die Probe aufs Exempel machen. Nehmt zehn jetzt lebende Menschen, die ihr hochschätzt und von denen ihr meint, daß sie wirklich etwas für die Menschheit geleistet haben, geht zurück bis in ihre Kindheit, blättert die Jahre um, und ich bin davon überzeugt, ihr findet zehn kleine Leseratten. Vielleicht waren es nicht immer sogenannte »gute« Bücher, die sie gelesen haben, aber gelesen haben sie, dessen bin ich sicher. Die Bücher gaben ihrer Phantasie Nahrung, und Phantasie war genau das, was sie brauchten, als sie sich als Erwachsene anschickten, die Welt zu verändern. Denn alles, was geschieht, muß zunächst einmal in der Phantasie eines Menschen Gestalt annehmen, wie sonst sollte es entstehen?
    Nun will dies natürlich nicht besagen, daß alle Leseratten und Bücherwürmer mit der Zeit zu schöpferischen Menschen und Neugestaltern heranwachsen, und vielleicht sind eure Träume für euer Kind auch gar nicht so hochfliegend. Ihr wünscht euch nur, daß es, wo immer sein Platz in dieser Welt später sein mag, einigermaßen glücklich werde. Zum Glück oder Unglück eures Kindes könnt ihr nicht allzuviel beitragen. Eins aber könnt ihr tun, ihr könnt ihm zeigen, wo Trost zu finden ist, wenn es traurig ist, und wo Freude und Schönheit zu finden sind, wenn das Leben ihm grau erscheint, und überdies könnt ihr ihm Freunde schenken, die nie enttäuschen ... ja, ihr könnt ihm den Weg zum Buch weisen! Aber wie gesagt, es muß gleich geschehen. Jetzt gleich, wo euer Kind sechs oder acht oder zehn oder zwölf Jahre alt ist, da muß es geschehen. Hinterher ist es zu spät. Zu spät für Schneewittchen und Doktor Doolittle, zu spät für Tom Sawyer und Robinson Crusoe, zu spät für so viele Freude und so viele aufregende Erlebnisse, endgültig zu spät. Zu spät, um den Weg zu finden, der zu dem grenzenlosesten aller Abenteuer f ü hrt.
    Kleines Zwiegespräch mit einem kün ftig en Kinderbuchautor
    Soso, du möchtest also ein Kinderbuch schreiben? Da bist du nicht der einzige Mensch. Viele Schreibkundige und auch viele des Schreibens nicht ganz so Kundige verspüren mit schöner Regelmäßigkeit den Drang, für Kinder zu schreiben, o ja, denn das ist doch so leicht. Man braucht sich nur daranzumachen, alles andere ergibt sich dann schon von allein. All diese Albernheiten, die die dummen Kleinen so lustig finden. Mal sehen, wie man anfangen könnte:
    »Es war einmal ein eiserner Ofen, der ging mit seiner Tante Eulalia Fillekrokonblom spazieren«ja aber, das ist ja ausgezeichnet! Da braucht man also nur den eisernen Ofen und Tante Eulalia zusammenzubringen und läßt sich die beiden dann Seite auf, Seite ab austoben, ha! Schon ist ein Kinderbuch da, das habe ich mir doch gleich gedacht!
    Hast du dir es wirklich so gedacht? Nein, doch wohl nicht. Ein wenig mehr Ehrgeiz hast du bestimmt, womöglich bist du sogar so ehrgeizig, daß du dir, bevor du zur Feder greifst, die fast unvermeidliche Frage stellst: Wie muß ein gutes Kinderbuch sein? Falls du mich fragst, so könnte ich dir nach reiflicher Überlegung nur antworten: Es muß gut sein. Ich versichere dir, daß ich lange und gründlich darüber nachgedacht habe, aber keine andere Antwort darauf weiß als: Es muß gut sein. Wie muß eine gute Gedichtsammlung sein? Wie ein guter Roman? Weshalb stellt sich nie jemand diese Fragen? Sollte es am Ende daran liegen, daß es kein Rezept für ein »gutes« Gedicht oder einen »guten« Roman gibt und daß man es darum getrost dem Dichter oder Romanverfasser überläßt, sich sein Werk ohne irgendeinen Leitfaden aus der Tiefe der eigenen Seele abzuringen?
    Ja, das ist doch auch was anderes- aber nur ein kleines Kinderbuch, wendest du vielleicht ein und hoffst unverdrossen auf ein wunderwirkendes Rezept. Na, freilich, Rezepte gibt es!
    Man nehme ein Bündel richtiger Lausbuben, vermische sie mit zwei, drei nachtschwarzen Schurken, f ü ge einen dummen Polizisten und eine zeternde Mutter hinzu, rühre behutsa m einen verständnisvollen Vater darunter, würze dann krä ftig mit rüpelhaften Dialogen und wilden Raufereien aller Art und – schwups! hinein mit dem Kuchen in den
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