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Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land
Autoren: Astrid Lindgren
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meistens in so schlichten Worten, daß jedes Kind sie verstehen kann – ist dir das schon mal aufgefallen? Wenn du ein Rezept haben möchtest, dann nimm das von Schopenhauer: »Man brauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.«
    Gewisse Schriftsteller verübeln es einem, wenn man ihre Wortwahl kritisiert und sie fragt, ob sie sich eigentlich darüber im klaren seien, daß sie für Kinder schreiben. Man dürfe Kinder nicht unterschätzen, antworten sie dann, man solle sich nicht einbilden, es sei nötig, sich zu Kindern sprachlich »herabzulassen«, sie verständen weit mehr, als man ahne.
    Darin gebe ich ihnen recht. Ich glaube, daß man mit Kindern über fast alles sprechen sollte und auch sprechen kann, doch dabei kommt es nicht zuletzt darauf an, wie man spricht, damit sie einem auch zuhören. Natürlich kann man ihnen Wörter vorsetzen, die sie nicht kennen, die aber trotzdein ihre Freude a m Wort wecken. Von dort jedoch bis zu »e in e m Mißstand abhelfen« und ähnlichen Sprachungetümen ist es ein langer Schritt. Man darf nicht vergessen, daß Kinder nur begrenzte Erfahrungen haben. Bringt ein Autor beispielsweise in eine m Kinderbuch eine an und für sich witzige Parodie eines Sitzungsprotokolls – was tatsächlich vorgekommen ist – , dann halte ich den Witz für verschwendet. Denn u m eine Parodie schätzen zu können, muß man etwas über das wissen, was parodiert wird, und ich kenne nur sehr, sehr wenige Kinder, die ein Sitzungsprotokoll gelesen haben. Die eine Regel kannst du dir also getrost merken, wenn du dich ans Schreiben machst: Schreibe möglichst etwas, das nur für Kinder lustig ist, für Erwachsene aber überhaupt nicht; schreibe möglichst auch etwas, das für Kinder und Erwachsene lustig ist; schreibe aber in einem Kinderbuch nie m als etwas, von de m . du genau weißt, daß es nur für Erwachsene lustig ist. Du schreibst nicht, damit die Rezensenten dich für witzig und geistreich halten, vergiß das nie! Viele, die für Kinder schreiben, zwinkern über die Köpfe ihrer kindlichen Leser hinweg verschmitzt einem gedachten Leser zu, sie blinzeln Einverständnis mit den Erwachsenen und übergehen das Kind. Bitte, tu das nicht – niemals, wirklich niemals! Denn es ist eine Unverschämtheit dem Kind gegenüber, das dein Buch kaufen und lesen soll.
    Dann darf ich dir also viel Glück wünschen. Und viel Vergnügen! Glaube mir, es macht Spaß, für Kinder zu schreiben, hoffentlich findest du das auch, sonst laß es lieber bleiben. Ferner hoffe ich, daß du nicht allzusehr unter dem Druck dieses »Wie muß ein gutes Kinderbuch sein« stehst, weder heute noch morgen noch übe rm orgen! Denke am besten gar nicht darüber nach! Schreibe frisch von der Leber weg und aus Herzenslust. Denn Freiheit wünsche ich dir und allen anderen Kinderbuchautoren, die Freiheit, die einem für Erwachsene schreibenden Schriftsteller ganz selbstverständlich zugebilligt wird, nämlich zu schreiben, was er will und wie er will. Möchtest du ein erschütterndes Buch für Kinder schreiben, darüber, wie schwer und unmöglich es ist, in dieser unserer Welt ein Mensch zu sein, dann ist es dein gutes Recht, es zu tun. Möchtest du über Rassenwahn, Unterdrückung und Klassenkampf schreiben, dann ist es dein gutes Recht, es zu tun. Und möchtest du nur ein Gedicht über eine blühende Insel inmitten der Schären schreiben, so ist es fraglos dein gutes Recht, auch dies zu tun, ohne daß du dabei denken mußt: Welche Wörter reimen sich denn bloß auf Dreckwasser und Ölpest? Kurzum: Freiheit! Denn ohne Freiheit welkt die Blume der Poesie, wo immer sie auch blühen mag.
    Wo kommen nur die Einfälle her?
    Meine alte Freundin Olga Karlsson aus Småland hat einmal zu mir gesagt: »Ja, so 'nen Kopf müßte man haben, proppvoll von Einfällen!«
    Interessiert musterte sie dabei meinen Schädel, wo sie offenbar die Einfälle heru m wirbeln sah wie Hechte in einem Fischkasten, die man je nach Bedarf nur mit dem Kescher herauszuholen brauchte.
    Einfälle – da hat Olga ein wahres Wort gesprochen. Das einzige, was ich hier auf Erden zustande gebracht habe, sind eine Menge Einfälle, und es ist mir selber rätselhaft, wie man so unentwegt mit lauter, zum guten Teil überdies noch recht verschrobenen Einfällen leben und fast sterben kann. Woher sind sie alle aufgetaucht? Wie sind sie entstanden, wie kamen sie zu einem Namen – wie kommt der Hecht aus dem Fischkasten?
    Ja, oft war zuerst nur der Name da. Pippi
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