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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück
Autoren: dieverse Autoren
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verändern?
     Auf diese Weise stellte ich Arsiks Experimente auf eine wissenschaftliche Grundlage. Ich gewann wieder Selbstvertrauen. Die Logik von Schlußfolgerungen hatte noch niemandem geschadet. Selbst bei der Erforschung so subtiler Fragen wie der Seele.
     Die folgende Arbeitswoche begann ich damit, daß ich mit Katja redete. Ich erklärte ihr, sie sei ein Opfer des Experiments, das Geschehene sei ihr aufgezwungen worden und würde schnell vergehen. Ich bat sie, sich zusammenzureißen.
     Außerdem verbot ich ihr, die Anlage zu benutzen.
     Katja hörte mir schweigend und mit gesenktem Kopf zu. Auf ihrem Gesicht glühten rote Flecken. Als ich geendet hatte, warf sie mir einen vernichtenden Blick zu und flüsterte deutlich: »Ich hasse Sie!«
     Gott sei Dank, wir waren unter vier Augen. Unlogische? Verhalten bringt mich in Wut. Das Mädchen hätte zumindest auf meine Lebenserfahrung vertrauen können. Schließlich wollte ich nur ihr Bestes.
     »Schlag dir diesen Unsinn aus dem Kopf.« schrie ich. »Wir sind hier nicht in der Tanzstunde. Ich verbiete dir, mich zu lieben.«
     Natürlich hätte ich das nicht sagen dürfen. Katjas Augen füllten sich sogleich mit Tränen. Sie fürchtete sich zu zwinkern, um ihre getuschten Wimpern nicht zu lädieren.
     »Sie? Lieben?« sagte sie betont abschätzig. »Sie sind mir zuwider, ich kündige, ich…«
     »Bitte«, unterbrach ich sie. »Reichen Sie die Kündigung ein.«
     Fünf Minuten später lagen auf meinem Tisch zwei Kündigungen. Katjas und Schurotschkas. Das hatte ich nicht erwartet. Noch zehn Minuten später bat mich Arsik, nachdem er mit Schurotschka geflüstert hatte, auf den Korridor zu einem Gespräch.
     »Gescha, das wird peinlich für dich«, sagte er.
     »Ich will ruhig arbeiten«, erwiderte ich und legte ihm meine Pläne hinsichtlich des Experiments dar. Arsik hörte mir lächelnd zu.
     »Ist das alles?« fragte er. »Hast du nichts vergessen?«
     »Heute abend beginne ich mit der ersten Sitzung.«
     »Na, dann los«, sagte Arsik. »Nur nicht mit der ersten, sondern der zweiten.«
     »Die erste zählt nicht.«
     »Unterschreib einstweilen die Kündigungen nicht«, bat er.
     Im Laufe des Tages kanten mehrere Leute aus anderen Abteilungen in unser Labor, um in die Okulare zu sehen. Arsik verweigerte das niemandem. Sie saßen still da, und nach einer Weile gingen sie wortlos fort. Überwiegend waren es Frauen. Ich saß bei Ignati Semjonowitsch und überprüfte seine Berechnungen der, Spiegelkonstruktion. Der Alte war stumm wie ein Fisch. Die Berechnungen hatte er peinlich genau ausgeführt. Als Anhang lag ein Schema mit den Maßen bei. Ich sagte, man müsse in der Werkstatt die Spiegel bestellen und einen Prototyp anfertigen. Ignati Semjonowitsch ging in die Werkstatt.
     Schließlich endete der Arbeitstag. Ich wartete, bis alle gegangen waren. Arsik hatte ich gebeten dazubleiben. Er unterwies mich, wie ich die Anlage einstellen konnte, wünschte Hals- und Beinbruch und entfernte sich ebenfalls. Ich zog die Rollos herunter und setzte mich an die Anlage. Mein Herz schlug heftiger. Der Zeiger zeigte auf die Katze, die an einem Herzen kratzt.
     Ich legte die Manschette an, atmete tief ein und blickte in die Okulare.

    3

    »… Und da erkennt er zum ersten Male die Gemeinheit und Niedertracht der menschlichen Seele. Alle Ideen von der geistigen Größe des Menschen hat er sich bewahrt, aber daneben sind diese neuen Gedanken gekommen. Die Spannung, ist so stark geworden, daß sie tönt wie eine Saite. Er schwankt. Bisher hat er nicht gewußt, daß ein Mensch so tief fallen kann und daß das unabänderlich ist.
     Darin liegt die Tragödie, und durchaus nicht darin, daß sein Onkel seinen Vater umgebracht und seine Mutter geheiratet hat.
     Wäre er erwachsener, erfahrener, gemeiner – kurz, wäre er aus demselben Stoff gemacht –, würde er seinerseits seinen Onkel ermorden und König werden. Sein Gewissen – das Gewissen, das jeder hat, natürlich auch sein Onkel – wäre beruhigt. Er hätte eine gerechte Tat vollbracht. Aber Hamlet gibt sich nicht mit dem gewöhnlichen Gewissen zufrieden, seine Überlegungen gewinnen kosmische Dimensionen und lassen sich nicht in das Schema ›schuldlos – schuldig‹ einordnen. Schuldig sind alle, niemand kann hundertprozentig schuldlos sein. Schuldig ist sogar die arme Ophelia allein wegen der Möglichkeit, einen Menschen, dieses äußerst tückische Wesen, zu gebären. Schuldig ist auch er selbst, ja vor
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