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Das Ekel von Säffle

Das Ekel von Säffle

Titel: Das Ekel von Säffle
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Geschoß traf ihn mitten m die Brust Wie ein Schmiedehammer Der Balkon war ungefähr zwei Meter breit und drei Meter lang Eine schmale, verrostete Eisenleiter war mit Bolzen an der gelb verputzten Wand befestigt Die führte hinauf zu dem mit schwarzen Metallplatten belegten Dach An jeder der Schmalseiten befand sich eine verschlossene Tür Die hohe Brüstung zum Hof bestand aus dicken, undurchsichtigen Glasscheiben und darüber befand sich ein Balken zwischen den Außenkanten der Seitenwande Auf dem Boden aus glasierten Ziegeln stand ein zusammenklappbares Gestell, das zum Klopfen der Teppiche benutzt wurde Martin Beck lag mit dem Rucken auf dem groben Gitter aus galvanisierten Eisenstaben Sein Kopf war nach hinten gebeugt und die Schultern lehnten gegen das dicke Rohr, das den Rahmen des Gestells bildete Langsam kam er zu sich, schlug die Augen auf und blickte m den klaren blauen Himmel Aber der Himmel begann zu verschwimmen, und er schloß die Augen wieder Er erinnerte sich oder vielmehr fühlte noch den furchtbaren Stoß gegen seine Brust und wie er gefallen war, aber er konnte sich nicht erinnern, auf den Boden aufgeschlagen zu sein War er in den Hof hinuntergefallen, von der obersten Kante des Hauses' Konnte man einen solchen Sturz überleben?
    Martin Beck versuchte den Kopf zu heben und sich umzusehen, aber als er die Muskeln spannen wollte, durchzuckte ihn ein so heftiger Schmerz, daß er für einen Moment wieder das Bewußtsein verlor Er versuchte es nicht noch einmal, sondern sah sich, so gut er es ohne den Kopf zu bewegen konnte, mit halbgeschlossenen Augen um. Er entdeckte die Leiter, die schwarze Metallkante des Dachs und begriff, daß er nicht tiefer als ein paar Meter gefallen war Er schloß die Augen Dann versuchte er die Arme und die Beine zu bewegen, schon der Reihe nach, aber der Schmerz überwältigte ihn, sobald er nur einen Muskel bewegte. Ihm wurde klar, daß er von mindestens einer Kugel in die Brust getroffen worden war, es war erstaunlich, daß er über haupt noch lebte Dagegen blieb das herrliche Glucksgefuhl aus, das Romanfiguren in ähnlichen Situationen überkommt Eigenartigerweise hatte er auch keine Angst.
    Er überlegte, wie lange es her sein mochte, seit er getroffen worden war War der Mann immer noch da oben auf dem Dach' Schusse waren nicht zu hören.
    Martin Beck hatte sein Gesicht gesehen, das eines Kindes und eines alten Mannes zugleich Wie war das möglich' Und die Augen wahnsinnig vor Schreck, Haß oder Verzweiflung oder vielleicht auch nur völlig leer.
    Irgendwie hatte Martin Beck sich eingebildet, daß er diesen Mann ver stand, daß er mitschuldig war und versuchen mußte zu helfen, aber für den Mann auf dem Dach kam jede Hilfe zu spat Irgendwann m den letzten 24 Stunden hatte er den endgültigen Schritt über die Grenze getan, hinein in den Wahnsinn, m eine Welt, m der nichts mehr existierte außer Rache, Ge walt und Haß.
    Nun liege ich hier und sterbe vielleicht, dachte Martin Beck, und welche Schuld sühne ich mit meinem Tod? Keine.
    Er schreckte vor seiner eigenen Überlegung zurück, und ihm schien plötzlich, daß er eine Ewigkeit lang unbeweglich an diesem Platz gelegen hatte War der Mann auf dem Dach tot oder überwältigt, war alles vorbei und er selbst vergessen, liegengelassen, um zu sterben, allein, auf einem Balkon, wo sonst Teppiche geklopft wurden.
    Martin Beck versuchte zu rufen, bekam aber nur ein Gurgeln heraus und schmeckte Blut in seinem Mund.
    Er lag da, ohne sich zu rühren, und wunderte sich, woher das machtige Brausen um ihn herum kam Es horte sich wie starker Wind m hohen Baumkronen an oder wie die Meeresbrandung, oder kam es vielleicht vom Ventilator einer Klimaanlage in der Nähe.
    Martin Beck fühlte, wie er in ein stilles Dunkel versank, wo das Brausen aufhorte, und bemuhte sich nicht, dagegen anzukämpfen Zu dem Brausen kam jetzt ein phosphorblitzendes Flimmern m dem blutroten Licht hinter den geschlossenen Augenlidern, und bevor er wieder fiel, verstand er, daß das Sausen aus seinem Korper kam Sein Bewußtsein schwand und kam wieder, schwand und kam wieder, so als ob er von einer weichen langen Dünung gewiegt wurde, und im Unterbewußtsein erkannte er undeutlich Visionen und Gedankenfetzen, die er nicht langer greifen konnte Er horte Gemurmel und entfernte Geräusche und Stimmen in dem lauter werdenden Brausen, aber das ging ihn nichts mehr an.
    Er stürzte m einen tosenden Schacht der Dunkelheit.
    Kollberg klopfte nervös mit den Knöcheln
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