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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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und studierte die Karteikarten mit den Drehbuchauszügen. Sie beruhten zum größten Teil auf Roggenkempers persönlichen Regieanweisungen.
    Edelmütig reichte Mager ihr einen Becher. Sie nahm einen großen Schluck und zeigte mit unverhohlener Schadenfreude zu dem blauen Bunkerboot einer Bochumer Mineralölfirma hinüber. »Du darfst gleich klettern: Wenn die Flusspioniere auftauchen – Totale von oben auf den Händedruck zwischen Roggenkemper und dem Kommandeur. Anschließend Gerdchens Rede und die Totenehrung …«
    Sie blätterte um: »Dann zum Bootshaus, drüben an der Brücke. Dort beginnen die Kanalrundfahrten. Ansturm auf die Boote, fröhliche Gesichter von Soldaten und Zivilisten, Kinder mit Luftballons. Und bloß nicht die Rentner und Behinderten vergessen.«
    Mager nickte schicksalsergeben. Für die wenigen Sekunden, die von der Show später im Film auftauchten, war das eine üble Plackerei. Neidisch starrte er auf ein paar Punks, die es sich am Ufer bequem gemacht hatten: Während die ihre Bierchen kippten, musste er malochen.
    »Echt pervers, was wir hier treiben«, meinte er düster. »Wenn du mir vor zehn Jahren prophezeit hättest, dass ich mal solche Filme mache …«
    Susanne zuckte die Achseln: »Roggenkemper zieht eben alle Register. Bei den Leuten, die hier investieren sollen, kommen die Bundeswehrbilder blendend an.«
    »Eben. Gegen diese Heinis haben wir demonstriert!«
    »Ich weiß«, nickte sie. »Vor fünfzehn Jahren!«
    »War das etwa falsch? Guck dir doch den Rummel hier an. Meinst du, das dient …«
    »Meine Güte! Krieg jetzt bloß keinen Moralischen, Mager! Du hättest lieber zu Ende studieren und Sowi-Pauker werden sollen – du mit deinem verdammten Marlowe-Komplex!«
    »Wie bitte?«
    »Philip Marlowe, Privatdetektiv. Alles außer Scheidungen, sagte er und verhungerte. Du willst es doch genauso machen: Alles, nur keine Werbung. Ich bin sofort dabei – wenn du mir vorher verrätst, womit wir unsere Raten bezahlen …«
    Mager verstummte und hüllte sich in die Wolken seiner Selbstgedrehten.
    »Der ist nicht verhungert«, meinte er nach einer Weile.
    »Wer?«
    »Marlowe. Er hat Linda Loring geheiratet – und die hatte jede Menge Moos.«
    »Wie schön für ihn. Aber wo ist deine Linda Loring? Hat Mechthild geerbt?«
    Nein, wollte Mager sagen. Aber er schluckte die Antwort hinunter. Die Erwähnung seiner Gattin hatte ihn endgültig auf die Verliererstraße gebracht.

9
     
     
    Durch den Hinterausgang verließen sie das Hotel und brachten Gerrit Bakker mit dem Landrover in den Lutinelaan. Als sie ihn in Hoekstras Dienstzimmer auf einen schlichten Plastiksessel setzten, hatte er mit dem Sunny Boy vom Abend zuvor kaum noch etwas gemein. Er vergrub das Gesicht in den Händen und schüttelte stumm den Kopf.
    Lissy erschien in der Tür und blickte fassungslos auf den Jungen. Mit einer Handbewegung scheuchte der Oberwachtmeister sie weg: »Und kein Telefon! Wenn was ist, soll Wim das klären …«
    Er schloss die Tür und setzte sich neben den Kahlen an den Schreibtisch, während sich der Major wieder eine Wand aussuchte, um sich, die Arme verschränkt, mit dem Rücken gegen sie zu lehnen.
    »Erzählen Sie!«, begann de Jong.
    Bakker blickte auf. Seine Augen waren feucht und rot.
    »Was wollen Sie wissen?«
    »Wann haben Sie die Frau kennengelernt?«
    »Gestern Abend …«
    Und dann erzählte er: Stockend, aber fast der Reihe nach, die ganze Geschichte. Von der Bloody Mary über Cohens Nancy bis zum Whisky an ihrem Bett.
    »Und dann?«
    »Was und dann?«, entgegnete Bakker verständnislos.
    »Was Sie mit ihr gemacht haben?«
    »Nun…«
    »Haben Sie mit ihr gevögelt?«
    Bakkers blaue Scheinwerfer füllten sich mit Empörung – er hatte die Ereignisse wohl romantischer in Erinnerung.
    »Na ja …«
    »Mijnheer Bakker«, erklärte de Jong förmlich. »Sie sind zweiundzwanzig, ich bin doppelt so alt, und auch Oberwachtmeister Hoekstra ist schon eine ganze Weile erwachsen. Es ist also niemand da, den Sie mit irgendetwas schockieren könnten …«
    »Ja«, antwortete Bakker und verstummte.
    »Was für ein Ja: verstanden oder gevögelt?«
    »Wir haben zusammen geschlafen …«
    »Genauer! Wie lange waren Sie da? Worüber haben Sie gesprochen?«
    Gerrit Bakker schluckte und starrte zum Fenster hinaus. Die Straße draußen war still wie eh und je, er kannte dort jeden Stein und jedes Haus, aber das alles war jetzt weit weg. Einige Augenblicke schien es, als müsse der Junge wieder losheulen, doch
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