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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich
Autoren: Betty McDonald
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Strohschießscheibe von ansehnlichem Ausmaß. Während er und Cleve sich mit Bogenschießen vergnügten, wurden Mary und ich in die Kochkunst eingeweiht. Mutter hatte dabei die Oberaufsicht inne, da sie eine fabelhafte Köchin war, was man von Gammy nicht behaupten konnte. Mutter lehrte uns, eine Prise Gewürznelke und sehr viel Zwiebel an den Braten zu tun, Salatsauce nach französischer Art mit Olivenöl anzurühren und die Schüssel vorher mit Knoblauch einzureiben; weiter Mayonnaise, Holländische Sauce und Cremesauce zu bereiten und wie man grüne Bohnen mit Zwiebelstreifen dünstet und Kartoffelbrei erst kurz vor dem Servieren fertigmacht, beim Kaffeekochen die genauen Mengen abmißt und die Teekanne vor dem Aufbrühen des Tees stets heiß ausschwenkt.
    Gammy hingegen predigte uns, beim Kuchenbacken alles in die Schüssel zu tun, was sich in greifbarer Nähe befand: Zwiebeln, Marmelade, übriggebliebenen Omelettenteig, den Siruprest aus der Flasche, Weinbeeren, Kirschen, Rosinen, Pflaumen oder Datteln und aus Ersparnisgründen statt Butter Schmalz. Ihre Kuchen waren scheußlich, schwer und zäh, voller kitschiger Stellen und harter Klumpen. Sie bot sie uns in allen Tonarten an, aber ich glaube, sie wollte nur unsere Charakterstärke auf die Probe stellen, denn wenn wir uns standhaft weigerten, davon zu essen, warf sie sie den Hühnern und Hunden vor, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Andererseits war sie eine geschworene Feindin jeder Verschwendung und brachte unsere Dienstmädchen zur Verzweiflung, weil sie den Eisschrank mit kleinen Tellern und Schüsseln anfüllte, auf denen drei Erbsen oder drei Bohnen und ein halber Teelöffel Marmelade oder eine bereits gebrauchte Zitronenscheibe lagen. Wurde es Mutter dann einmal zu bunt und sie machte sich energisch dahinter, den Eisschrank auszuräumen und die vielen Speiserestchen wegzuwerfen, war Gammy zutiefst beleidigt und sehr gekränkt, schleppte einen Fünfundzwanzig-Pfund-Sack Mehl herbei, stellte ihn vor Mutter ab und sagte schnippisch: »Da, wirf den nur gleich mit weg! Heute scheint ja Verschwendung an der Tagesordnung zu sein.« Gammy fabrizierte auch Küchelchen, zu denen sie die gleichen Zutaten nahm wie zu ihren großen Kuchen, nur ein größeres Quantum Mehl. Diese Küchelchen waren rund und bis zu einem halben Zoll dick. Sie klebten als zähe Masse am Gaumen fest und schmeckten nach nichts. Die Küchelchen wuchsen sich zu einem schwierigen Problem aus, als wir seßhaft wurden und nicht mehr herumzigeunerten. Sie lagen haufenweise in der Küche und auf dem kleinen Platz vor der Hintertür herum, bis die Warrens in das Haus schräg gegenüber von uns zogen. Es war ein Prachtbau im Kolonialstil, und die Warrens hatten zwei Autos, aber ihre Kinder – zwei Mädchen und zwei Knaben – aßen Hundekuchen. Warum, weiß ich nicht, aber sie taten es. Mrs. Warrens hatte einen Hundertpfundsack auf ihrem Küchenvorplatz stehen, und die kleinen Warrens stopften sich die Taschen mit Hundekuchen voll, wenn sie aus der Schule kamen, und mampften den ganzen Nachmittag daran herum, während wir Verstecken spielten. Wir probierten einmal davon, und nach Gammys Küchelchen war der Schock nicht groß, aber der bittere Beigeschmack – vermutlich von getrocknetem Blut und Knochenmehl – sagte unseren Zungen nicht zu. Eines Mittags machten die Warrens auf ihrem Heimweg von der Schule halt vor unserer Küchentür, noch bevor sie sich mit Hundekuchen versorgt hatten. Gammy buk gerade wieder ihre berühmten Küchelchen (sie buk ungefähr sechsmal in der Woche, weil – wie sie behauptete – die Küchelchen sättigend seien und dazu beitrügen, die Rechnung des Kolonialwarenhändlers zu verringern) und forderte uns großmütig und sehr beharrlich auf, davon zu essen. Den Warrenskindern schmeckten sie. Wir waren vor Überraschung sprachlos und versuchten ein paar Bissen, ob sie vielleicht heute anders wären. Aber sie waren nicht anders. Sie waren genau so zäh und ohne Geschmack wie immer. Ich vermute, im Vergleich zu Hundekuchen bedeuteten sie eine Delikatesse, denn die Warrenskinder fragten, ob sie noch ein paar nehmen dürften, was ihnen gnädigst gewährt wurde. Sie bekamen soviel, wie sie essen konnten und wir nicht essen wollten. In Zukunft verschlangen sie Gammys gesamte Produktion an Küchelchen, und wir brauchten nicht mehr besorgt die Stirn zu runzeln, wenn sie ihren Teig mit einem Zusatz gegorener Pflaumen oder dem Rest der mittäglichen Sauce veredelte.
    Als ich
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