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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen
Autoren: Richard Dawkins
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Verständnis der natürlichen Auslese vortrefflich zusammenfaßt.
    Bevor ich mit meiner eigentlichen Erörterung beginne, möchte ich kurz erklären, welche Art von Erörterung es ist und welche nicht. Wenn uns jemand erzählte, ein Mann habe in der Chicagoer Gangsterwelt ein langes und erfolgreiches Leben geführt, so wären wir berechtigt, einige Überlegungen darüber anzustellen, was für eine Sorte Mensch er war. Wir könnten erwarten, daß er Eigenschaften hätte wie Härte, Reaktionsschnelligkeit und die Fähigkeit, loyale Freunde um sich zu sammeln. Dies wären zwar keine unfehlbaren Rückschlüsse, doch man kann sehr wohl einige Aussagen über den Charakter eines Menschen machen, wenn man etwas über die Bedingungen weiß, unter denen er überlebt und sich erfolgreich behauptet hat. Die These dieses Buches ist, daß wir und alle anderen Tiere Maschinen sind, die durch Gene geschaffen wurden. Wie erfolgreiche Chicagoer Gangster haben unsere Gene in einer Welt intensiven Existenzkampfes überlebt – in einigen Fällen mehrere Millionen Jahre. Auf Grund dessen können wir ihnen bestimmte Eigenschaften unterstellen. Ich würde argumentieren, daß eine vorherrschende Eigenschaft, die wir bei einem erfolgreichen Gen erwarten müssen, ein skrupelloser Egoismus ist. Dieser Egoismus des Gens wird gewöhnlich egoistisches Verhalten des Individuums hervorrufen. Es gibt jedoch, wie wir sehen werden, besondere Umstände, unter denen ein Gen seine eigenen egoistischen Ziele am besten dadurch erreichen kann, daß es einen begrenzten Altruismus auf der Stufe der Individuen fördert. Die Worte „besonders“ und „begrenzt“ in diesem Satz sind wichtig. So gern wir auch etwas anderes glauben wollen, universelle Liebe und das Wohlergehen einer Art als Ganzes sind Begriffe, die evolutionstheoretisch gesehen einfach keinen Sinn ergeben.
    Dies bringt mich zu der ersten Feststellung, die ich darüber treffen möchte, was dieses Buch nicht   ist. Ich trete nicht für eine Ethik auf der Grundlage der Evolution ein. 2 Ich berichte lediglich, wie die Dinge sich entwickelt haben. Ich sage nicht, wie wir Menschen uns in moralischer Hinsicht verhalten sollen.
    Ich betone dies angesichts der Gefahr, daß ich von jenen – allzu zahlreichen – Leuten falsch verstanden werde, die nicht unterscheiden können zwischen einer Darstellung dessen, was nach Überzeugung des Sprechenden oder Schreibenden der Fall ist, und einem Plädoyer für das, was der Fall sein sollte. Ich selbst bin der Meinung, daß eine menschliche Gesellschaft, die lediglich auf dem Gesetz des universellen, rücksichtslosen Gen-Egoismus beruhte, eine Gesellschaft wäre, in der es sich sehr unangenehm lebte. Unglücklicherweise jedoch hört etwas, das wir beklagen, und sei es auch noch so sehr, deshalb nicht auf, wahr zu sein. Dieses Buch soll vor allem interessant sein. Wenn der Leser jedoch eine Moral aus ihm ableiten möchte, möge er es als Warnung lesen: Wenn er – wie ich – eine Gesellschaft aufbauen möchte, in der die einzelnen großzügig und selbstlos zugunsten eines gemeinsamen Wohlergehens zusammenarbeiten, kann er wenig Hilfe von der biologischen Natur erwarten. Laßt uns versuchen, Großzügigkeit und Selbstlosigkeit zu lehren,   denn wir sind egoistisch geboren. Laßt uns verstehen lernen, was unsere eigenen egoistischen Gene vorhaben, denn dann haben wir vielleicht die Chance, ihre Pläne zu durchkreuzen – etwas, das keine andere Art bisher jemals angestrebt hat.Noch einen Zusatz zu dieser Bemerkung über das Lehren und Lernen: Es ist ein Trugschluß – nebenbei gesagt ein sehr häufiger – anzunehmen, daß genetisch ererbte Merkmale per definitionem   feststehend und unveränderbar sind. Unsere Gene mögen uns anweisen, egoistisch zu sein, aber wir sind nicht unbedingt gezwungen, ihnen unser ganzes Leben lang zu gehorchen. Es mag uns vielleicht nur schwerer fallen, Altruismus zu lernen, als es uns fiele, wenn wir genetisch auf altruistisches Verhalten programmiert wären. Unter allen Geschöpfen ist der Mensch in einzigartiger Weise durch die Kultur beeinflußt, durch Eindrücke, die aufgenommen und überliefert werden. Einige werden sagen, die Kultur ist so wichtig, daß die Gene – ob nun egoistisch oder nicht – praktisch für das Verständnis der menschlichen Natur irrelevant sind. Andere werden dem nicht zustimmen. Alles hängt davon ab, welchen Standpunkt man in der Debatte über „Natur oder Erziehung“ als bestimmende Faktoren
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