Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
dass es nicht so war.
    Robert lauschte. »Ich kann nichts Ungewöhnliches feststellen«, meinte er dann. Er lächelte, um Sarah zu beruhigen. »Bestimmt spielen dir deine Nerven einen Streich, Schatz. Kein Wunder…«
    »Still!« Wieder fühlte Sarah die merkwürdige Veränderung – als hätte jemand die Welt um ein winziges Stück von der Stelle gerückt.
    »Sind sie gut angeschnallt?«, tönte plötzlich die Stimme von Captain Woolbridge nach hinten.
    »Ja!… Wieso?«, antwortete Robert, nun doch besorgt.
    »Kann ich noch nicht sagen. Vielleicht Turbulenzen.«
    »Hab noch nie Turbulenzen erlebt, die eine B-24 wie an der Schnur in eine Kreisbahn ziehen.« Die knurrige Bemerkung kam von Jack, dem Kopiloten.
    »Wie kommst du…?«
    »Hast du schon einmal einen Blick auf den Kompass geworfen?«
    Der Ton im Cockpit des Flugzeugs hatte sich verändert – es gab keine Anzeichen von Panik, aber eine gewisse Anspannung schwang in jedem Wort der Männer mit.
    Robert brannten ein Dutzend Fragen auf der Zunge, aber im Augenblick würde ihm wohl sowieso niemand von der Crew zuhören.
    »Der Kopilot hat Recht«, sagte Sarah plötzlich. Sie klang merkwürdig gelassen, fast so, als hätte sie mit diesem Verlauf der Ereignisse gerechnet. Neugierig beugte sie sich zu Robert hinüber, um besser aus dem Fenster sehen zu können. »Jack sagt die Wahrheit«, wiederholte sie jetzt noch einmal. »An den Wellenkämmen kann man es deutlich erkennen: Wir fliegen im Kreis. Und wie es scheint, in immer enger werdenden Kurven.«
    »Aber das Flugzeug hat doch überhaupt keine Schräglage!«, rief Robert, von seiner Gelassenheit war nichts mehr geblieben. »Das ist physikalisch überhaupt nicht möglich! Das Flugzeug müsste doch…«
    »Vergessen Sie die Physik!«, blaffte Jack nach hinten, wohl um Robert endlich zum Schweigen zu bringen. »Das hier ist nicht normal. So was hab ich noch nie erlebt! Das Seitenruder sitzt fest wie angefroren. Unsere Roly-Poly tanzt mit uns im Kreis und wir können rein gar nichts dagegen tun.«
    Sarah kamen die Geschichten vom Bermudadreieck in den Sinn. Seit mindestens einhundert Jahren hatte es immer wieder rätselhafte Vorfälle in den Gewässern zwischen den Bermudainseln, Puerto Rico und Melbourne in Florida gegeben. Etliche Schiffe waren spurlos verschwunden, einige davon leer und verlassen wieder aufgetaucht. In neuerer Zeit kamen Berichte von Flugzeugen hinzu, denen offenbar das gleiche Schicksal widerfahren…
    »Jack, schau da, auf zwei Uhr!«
    Etwas an der Stimme von Captain Woolbridge ließ Sarah nach vorn zum Cockpit blicken, mit den Augen dem ausgestreckten Arm des Piloten folgen. Ohne zu zögern, schnallte sie sich los und wechselte über den Mittelgang zum gegenüberliegenden Fenster. Sie spürte, wie Robert sich neben sie setzte und an ihr vorbeizusehen versuchte.
    »Unglaublich«, flüsterte sie.
    »Was denn?«, fragte Robert. Der Kopf seiner Frau füllte das kleine Kabinenfenster vollständig aus.
    »Ein Strudel«, erwiderte Sarah. Sie schien ihre Furcht völlig vergessen zu haben und wirkte wie jemand, der ein seltenes Naturschauspiel bestaunt.
    »Was denn für ein Strudel?« Robert konnte noch immer nichts erkennen, doch anstatt in eine der angrenzenden Sitzreihen zu wechseln, fragte er nur: »Etwa ein Hurrikan?« Das, so glaubte er, konnte eine plausible Erklärung für die Kräfte sein, die das Flugzeug in eine Kreisbahn zwangen.
    »Nein, kein Wirbelsturm«, antwortete Sarah. »Der Himmel über dem Meer ist völlig ruhig. Aber sieh nur, das sonderbare Leuchten in dem Strudel!« Sie ließ sich jäh in den Sitz zurücksinken, als hätte sie genug gesehen. Auf ihrem Gesicht lag ein merkwürdig friedlicher, fast erwartungsvoller Ausdruck.
    Endlich konnte Robert durch das Fenster blicken. Einige Herzschläge später wünschte er fast, er hätte es nicht getan, denn was er da tief unter dem Flugzeug entdeckte, jagte ihm einen gehörigen Schrecken ein. Das Meer drehte sich um ein gewaltiges Loch herum. Zur Mitte hin senkte es sich zunehmend ab, als laufe es in einen riesigen Trichter hinein. Je näher die aufgewühlten Wassermassen dem Zentrum dieser Vertiefung kamen, desto schneller wirbelten sie herum. Der Durchmesser des Mahlstroms musste fünf oder mehr Meilen betragen. Er war gigantisch! Robert hatte noch nie von einem derart großflächigen Meeresstrudel gehört, geschweige denn je einen solchen gesehen.
    Jetzt bemerkte er auch das »sonderbare Leuchten«, wie Sarah es genannt hatte. In
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher