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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer
Autoren: Ralf Isau
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etwas dran an dem, was Ihr Erster Offizier sagt?«
    Der Captain räusperte sich. »Nun, Mrs. McKenelley, in Wirklichkeit haben die Briten gar nicht alle Transportmaschinen dieses Typs außer Dienst gestellt. Es gibt noch eine… eine geringe Anzahl von ihnen, die…«
    Die Stimme des hoch gewachsenen Mannes war unter Sarahs argwöhnischem Blick immer mehr ins Stocken geraten. »Was genau verstehen Sie unter einer ›geringen Anzahl‹, Captain?«
    »Nun, genau genommen handelt es sich nur um eine Maschine, eine Liberator C. Mk. IX, wie die Briten den Typ nennen. Sie dreht unter der Schirmherrschaft des National Research Council ihre Runden…«
    »Ha!«, ertönte es trocken hinter dem Kommandanten.
    Der ignorierte den Spott seines Kopiloten und erklärte weiter: »Man nennt sie Rockcliffe Icewagon. Sie unternimmt regelmäßig Erkundungsflüge im Norden Kanadas. Glauben Sie, man würde eine solche Aufgabe einem Flugzeug anvertrauen, das ›launisch wie ein Sack Flöhe‹ ist, Mrs. McKenelley?«
    Sarah dachte über die Erklärung des Captains nach. Sie misstraute Unternehmungen, bei denen man buchstäblich »den Boden unter den Füßen verlieren« konnte. Die etwas verwirrende Auseinandersetzung der beiden Männer hatte sie argwöhnisch gemacht. Daran konnten auch die Argumente des Kommandanten nichts ändern.
    Ehe Sarah nachhaken konnte, legte sich von hinten eine Hand auf ihre Schulter.
    »Ist alles in Ordnung, Schatz?«
    Sie drehte sich um und blinzelte in die Sonne. Vor ihr stand die dunkle Silhouette ihres Mannes. Erleichtert lächelte sie. Schon die Berührung seiner Hand hatte ihr mehr Zuversicht eingeflößt als alle gut gemeinten Worte des Captains.
    »Bob, ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht mehr kommen!« Sie spürte den leicht gereizten Ton in ihrer Stimme und atmete tief durch. Ruhiger fügte sie dann hinzu: »Du weißt, dass mir diese fliegenden Röhren noch nie geheuer waren.«
    »Captain Woolbridge verfügt über eine gehörige Portion Flugerfahrung. Er wird uns sicher nach North Carolina bringen, Schatz.«
    Sarah entdeckte zwei weitere Männer, die sich im gleißenden Sonnenlicht der Roly-Poly näherten. Aus den Fliegerjacken der beiden schloss sie, dass sie ebenfalls zur Besatzung der Transportmaschine gehörten. Als sie sich wieder ihrem Ehemann zuwandte, reichte Robert dem Piloten gerade einen Papierumschlag.
    »Diese Unterlagen soll ich Ihnen noch geben, Captain. Der Dienst habende Offizier meinte, Sie wüssten, schon Bescheid.«
    Captain Daniel Woolbridge nahm das Kuvert entgegen und nickte. Dann warf er den beiden Neuankömmlingen einen fragenden Blick zu. Als einer der Männer ihm einen nach oben gereckten Daumen zeigte, wandte er sich wieder den Passagieren zu. »Dann darf ich Sie bitten einzusteigen. Wenn die Starterlaubnis aus dem Tower rechtzeitig erteilt wird, heben wir genau um sechzehnhundert vom Rollfeld ab. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt. Ich muss unser Dickerchen noch auf Touren bringen.«
    Sarah zuckte zusammen, als sie spürte, wie Roberts linke Hand der rechten folgte, sodass beide ihre zierlichen Finger wie eine Burg umschlossen. Die Berührung hatte sie aus ihren Erinnerungen gerissen. Sie wandte sich vom Fenster ab und lächelte ihrem Mann zu, so als müsse sie sich für ihre Schreckhaftigkeit entschuldigen.
    Robert erwiderte das Lächeln, sagte aber nichts. Er wusste, dass sie im Augenblick nichts dringender brauchte als seine schützende Nähe. Die Zeit für tröstende Worte war noch nicht gekommen. In einem fernen Winkel seines Bewusstseins nahm er verwundert wahr, wie trocken und kühl sich Sarahs Haut anfühlte.
    So saßen sie weitere Minuten schweigend nebeneinander. Da war nur noch das Dröhnen der Motoren. Captain Daniel Woolbridge hatte von ihnen geschwärmt: vier Pratt & Whitney R-1830-94, jedes Triebwerk mit vierzehn Zylindern, jedes mit eintausenddreihundertfünfzig Pferdestärken, scheinbar durch nichts aus ihrer ohrenbetäubenden Ruhe zu bringen…
    Sarah zuckte erneut zusammen. »Was war das?«
    Robert sah sie fragend an. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    Sarah lauschte. Irgendetwas stimmte nicht. Lag es an den Propellertriebwerken? Oder an der Art, wie die Maschine flog…? Die Veränderung war so geringfügig gewesen, dass wohl nur sie es gespürt hatte. Jedenfalls ließ keiner der vier Männer im Cockpit sich etwas anmerken. Auch Robert nicht. Sarah saß jetzt kerzengerade. »Vielleicht sind es die Motoren«, murmelte sie und wusste zugleich,
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