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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen
Autoren: Silvia Kaffke
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Hosen anhatte. Robert schien das nicht zu stören. Solange er den Respekt des Bürgermeisters, der Honoratioren und seiner Untergebenen hatte, war ihm der Ruhrorter Tratsch gleichgültig. Dafür liebte ihn Lina umso mehr.
    «Ich wäre nicht gegangen, wenn du mich darum gebeten hättest, das weißt du hoffentlich.»
    «Ja, das weiß ich sehr gut.»
    Sie waren in die Ludwigstraße eingebogen, die inzwischen endlich befestigt worden war. Auf der Höhe der Carlstraße, wo sich Linas Elternhaus befand, winkte ihnen Lotte, das Hausmädchen ihres Bruders, zu, das offenbar zum Altstadtmarkt wollte. Und dann waren sie bereits in der Harmoniestraße vor ihrem Haus und gingen an den Auslagen ihres Ladens vorbei, wo es immer noch Stoffe, Tuche und Kurzwaren gab. Aber eines der Fenster war nun Linas neuestem Entwurf vorbehalten. Gerade gestern hatte sie das zartblaue Sommerkleid auf die Schneiderpuppe gezogen. «Nach der neuesten Pariser Mode» stand auf dem kleinen Schild. Die Reifenkrinoline war so voluminös, dass der Rock das ganze Fenster einnahm.
    Robert schloss die Tür auf, und sie gingen ins Haus.
    Er half ihr aus dem warmen Cape, hängte seinen zivilen Wintermantel an die Garderobe und griff sich seinen Helm, die Uniformjacke und den Säbel.
    Lina stellte ihren Stock in den Ständer neben der Tür und gab ihm einen Kuss auf die Wange. «Bis heute Mittag, Robert.»
    «Bis heute Mittag, Lina.»
    Sie sah ihm nach, wie er das Haus verließ, nahm dann seinen Mantel wieder vom Haken und rief Finchen aus der Küche. Die trug ihr jüngstes Kind, die zweijährige Sophie, auf dem Arm. «Bring den bitte nach oben, lass ihn aber noch auslüften.»
    Finchen nickte und nahm den Mantel. «In Ihrem Bürowartet ein junger Mann, Frau Borghoff. Er sagt, der Baron von Sannberg schickt ihn.»
    «Ja gut. Ich sehe aber erst bei den Näherinnen nach dem Rechten.»
    Finchen war schon fast mit Kind und Mantel die Treppe hinauf, da drehte sie sich noch einmal um. «Fast hätte ich es vergessen: Da ist ein Brief angekommen – von Frau Dahlmann   … Frau Verwerth, meinte ich.»
    Lina schmunzelte und griff nach dem Brief, der verschlossen auf der Flurkommode lag. Clara Verwerth, die Vorbesitzerin des Stoffladens und einige Jahre Linas Geschäftspartnerin, war vor zwei Jahren mit ihrem langjährigen Ladengehilfen Wilhelm in dessen Heimatort Marl gezogen. Sie hatten geheiratet und brauchten ihr Verhältnis dort nicht wie in Ruhrort geheim zu halten. Den Laden und das Haus hatte Clara Lina gegen Zahlung einer jährlichen Leibrente überlassen.
    In ihrem langen Brief erzählte Clara von den Auswirkungen der schlechten Wirtschaftslage auf das kleine Marl. Zwar waren die meisten Einwohner Bauern oder Landarbeiter, aber die zahlreichen Lohnweber dort hatte es hart getroffen. Clara fragte auch besorgt, ob die jährliche Rentenzahlung, die zum ersten April bevorstand, für Lina nicht zu hoch sei, und bot an, sie um ein paar Thaler zu verringern oder in zwei oder mehr Raten zu zahlen.
    Doch das war nicht nötig, Lina hatte das Geld dafür längst beiseitegelegt. Dies und die Löhne für ihre Näherinnen und Angestellten waren das Letzte, woran sie sparen wollte. Es hingen ganze Familien daran. So hatte sie nur die großzügige Verköstigung eingeschränkt, es gab eben öfter dicke Suppen, seltener Fleisch und mehr Kartoffeln und Rüben aus dem eigenen Garten, den sie unterhalb der Woy gepachtet hatte.
    Bei den teuren Kleidern nach Linas eigenen Entwürfen hatte es zwar weniger Aufträge gegeben als in den letzten Jahren,aber sie war sich nie zu schade dafür gewesen, Kleider umzuarbeiten und zu ändern, sodass ihr Geschäft immer noch genug einbrachte, um alle satt zu bekommen. Trotzdem wollte sie nun, wie früher Clara, die Räume unter dem Dach vermieten, um eine weitere Einnahmequelle zu haben. Sie hatte ihrem Freund Baron von Sannberg davon erzählt und vermutete, dass der junge Mann wegen eines Zimmers kam.
    Das zweite Ladenlokal im Haus nebenan, das sich Lina von ihrem Erbe gekauft hatte und das mit Claras ehemaligem Haus durch einen Durchbruch verbunden war, wurde als Modesalon genutzt. Hier lagen alle bekannten Modezeitschriften, die man beziehen konnte, dazu, schön gebunden, Linas Entwürfe, und es waren sogar einige Modelle zur Ansicht ausgestellt. In den schlichten, aber gemütlichen Räumen konnten die Kundinnen bei einem Kaffee oder Tee ihre Wünsche mit Lina besprechen und Stoffe aussuchen, die der neue Ladengehilfe Christian von nebenan
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