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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Retter, an den du geglaubt hast? Gibst du das Vertrauen in deine Visionen so schnell auf?!«
    Khaleios wies träge zur Schlacht hinab. »Ich sah ein dunkles Herz, das den Tod Tausender Menschen und den Untergang eines Volkes heraufbeschwört. Jetzt begreife ich, dass dieses Volk nicht die Menschen, sondern die Dar’hana sind. Wir Elfen können nicht gerettet werden durch die Gier und Rache eines einzelnen Mannes. Und nun ist dein Menschenjunge ohnehin tot, ermordet von seinem größten Bewunderer.«
    »Ich glaube dir nicht«, flüsterte Yelanah, doch es war eine Lüge. Khaleios wusste das.
    »In dieser Welt waren wir Fremde, meine Tochter. Ich will den gleichen Fehler nicht wiederholen … bitte, komm mit uns. Was auch immer uns hinter den Nebeln erwartet, an diesem letzten Ort will ich dir ein Vater sein. Bitte. Yelan …« Sie hob den Kopf nicht. Als Khaleios erkannte, dass sie ihm nicht mehr antworten würde, seufzte er tief. Die Nebel schlugen vor ihm zu wie Vorhänge und verschluckten seine Gestalt.
    Das Gesicht an die Erde geschmiegt, weinte sie ihre letzten Tränen. Hinter ihr hörte sie die Dar’hana flüstern … Komm! Komm zu uns! Verlass uns nicht …
    Hatte sie denn eine Wahl? Sie konnte sich dem Ruf nicht länger widersetzen. Sie spürte, wie er sie aus ihrem Körper zog.
    Der Schnee schmolz unter ihr fort. Der felsige Boden zerrann wie eine Illusion. Wasser umschmiegte ihre Beine und Arme und schloss sich langsam über ihrem Rücken wie eine Umarmung. Unter ihren Fingerspitzen fühlte sie die glatten Steine, die es nur am Ufer des San Yagura Mi Dâl gab. Sie war zu Hause … und mit ihrem Zuhause würde sie in die Unwirklichkeit verschwinden. Nun gab es kein Zurück mehr.
    Das Wasser stieg an. Mit geschlossenen Augen sagte Yelanah alles, was sie Revyn noch zu sagen hatte; sie flüsterte die unaussprechlichen Dinge, die in ihrem Herzen verschlossen waren und ihr ganzes Glück bedeutet hatten. Als das Wasser über sie hinwegschwappte und sich alle körperlichen Schmerzen von ihrem Geist lösten, klammerte sie sich an den Gedanken, dass nichts sie je von Revyn trennen konnte. Kein Nebel. Keine Welten. Zwischen ihr und der Erinnerung stand nur die Zeit.

Die Zukunft
    Der Abend sank über das Schlachtfeld. Mit der Dämmerung breitete sich eine unheimliche Stille aus, nur durchbrochen vom leisen Wimmern der Verletzten.
    Revyn spürte zwei Hände, die ihn an der Schulter packten und umdrehten. Steif wie ein Brett kippte er auf den Rücken, denn seine Kleider waren gefroren. Über ihn beugte sich eine schattenhafte Figur.
    »Yelan …«
    Die Figur richtete sich auf. »Hier lebt noch einer!«
    Revyn kniff instinktiv die Augen zu, als der laute Männerruf erklang. Dann packten ihn wieder die kräftigen Hände unter den Armen und hoben ihn hoch. Er keuchte vor Schmerz.
    Wie ein kleines Kind trug ihn der Fremde zu einem Karren, wo er abgelegt und ihm eine Decke über die Brust gezogen wurde. Dicht neben ihm waren andere Verletzte, stöhnend und halb besinnungslos wie er.
    Der Karren setzte sich in Bewegung. Das Ruckeln und Schwanken tat Revyn so weh, als würde jemand an seiner verwundeten Schulter zerren. Er presste fest die Augen zu und bekämpfte die fahrige Trägheit, die seine Gedanken lähmte. Rings um sie knirschten Schritte im Schnee, klapperten Holz und Metall …
    Irgendwann öffnete Revyn die Augen. Undeutlich sah er den Himmel über sich, voller Sterne. Er erinnerte sich, vor langer Zeit geglaubt zu haben, die Sterne seien die Augen von Göttern, die das Treiben der Menschen beobachteten. Wenn es wirklich so war, dann waren die Götter in dieser Nacht gestorben. Der Himmel war blind.
    Als sie den Waldrand erreichten, zündeten die Männer Fackeln an. In einer langen Lichterkette zogen sie durch die Dunkelheit, denn schlafen konnte in dieser Nacht niemand. Die Äste der kahlen Bäume schimmerten über Revyn wie glitzernde Hände, eben im Licht erstarrt, bevor sie ihn hatten greifen können.
    Wo blieb Yelanah bloß? Er drehte mühsam den Kopf und blickte in die Finsternis des Waldes. Wieso kam sie denn nicht, um ihn zu holen …
    Er fiel in einen unruhigen Schlaf voll Fieberträume, erwachte, als es noch stockfinster war, schlief wieder ein und kam zu sich, als der Himmel sich blassgelb färbte. Zum ersten Mal sah er, wie viele Männer in ihrem Zug waren: Karren um Karren, beladen mit Verletzten, wurde gen Westen gezogen.
    Wer die Schlacht gewonnen hatte, was aus Haradon und Myrdhan werden würde, ob
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