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Das Dorf in den Lüften

Das Dorf in den Lüften

Titel: Das Dorf in den Lüften
Autoren: Jules Verne
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wurden, die ihm zukamen und an die er wahrscheinlich längst gewöhnt war. Kaum geruhte er einmal, durch eine leise Bewegung des geheiligten Hauptes seiner Anerkennung Ausdruck zu geben. Sonst blieb er – abgesehen davon, daß er sich zwei-oder dreimal an der Nase kratzte – reungslos liegen. Auf seiner sehr langen Nase aber saß eine große Brille, was seinen Zunamen »Vater Spiegel« genügend erklärte.
    Mit gespanntester Aufmerksamkeit betrachteten ihn die beiden Freunde, als er nahe bei ihnen vorüberkam.
    »Das… das ist ja aber ein Mensch! versicherte John Cort.
    – Ein Mensch? fragte Max Huber zweifelnd.
    – Ja… ein Mensch… und was noch mehr ist, sogar ein Weißer!
    – Wie?… Ein Weißer?«
    Unzweifelhaft war der, den man auf seiner
sedia gestatoria
eben hier vorübertrug, ein anderes Wesen, als die von ihm regierten Wagddis, und auch kein Eingeborner aus den Stämmen des oberen Ubanghi. Nein, hier blieb jede Täuschung ausgeschlossen; es war ein Weißer, ein nicht zu verkennender Vertreter des Menschengeschlechtes!
    »Und unsere Anwesenheit macht auf ihn gar keinen Eindruck, sagte Max Huber, er scheint uns überhaupt gar nicht zu bemerken. Zum Kuckuck! Wir gleichen doch nicht diesen Halbaffen von Ngala, und wenn wir auch drei Wochen unter ihnen verlebt haben, glaube ich doch nicht, daß wir schon nicht mehr wie richtige Menschen aussähen!«
    Schon wollte er über die Köpfe vor ihm hinüberrufen:
    »He da… Sie… geehrter Herr, da drüben, wollen Sie uns denn nicht eines Blickes würdigen?«
    Da faßte ihn jedoch John Cort am Arme, und mit einer Stimme, die sein maßlosestes Erstaunen verrieth, sagte er:
    »Ich erkenne ihn!
    – Was?… Du willst ihn kennen?
    – Ja!… Das ist der Doctor Johausen!«

Siebzehntes Capitel.
Der Zustand des Doctor Johausen.
    John Cort war früher in Libreville mit dem Doctor Johausen zusammengetroffen. Er konnte nicht irren: es war derselbe gelehrte Herr, der jetzt den Stamm der Wagddis regierte.
     

    Llanga konnte bis an die Thür gelangen. (S. 222.)
     
    Es ist leicht genug, den Anfang seiner Geschichte im Auszuge wiederzugeben und sie sogar in ihrem Gesammtverlauf darzustellen. Ohne Unterbrechung reihten sich die Erlebnisse und Vorgänge auf dem Wege von der Waldhütte bis zum Dorfe Ngala aneinander.
     

    Seine Majestät schnitt eine Grimasse… (S. 223).
     
    Vor drei Jahren hatte dieser Deutsche, erfüllt von dem Wunsche, den wenig ernst genommenen und jedenfalls völlig mißglückten Versuch des Professor Garner wieder aufzunehmen, Malimba mit einer Begleitmannschaft von Schwarzen verlassen und genügende Vorräthe, Schießbedarf und Lebensmittel für ziemlich lange Zeit mitgenommen. Was er im Osten von Kamerun vorhatte, war ja nicht unbekannt geblieben. Er hatte die tolle Absicht, sich mitten unter den Affen häuslich niederzulassen, um deren Sprache zu erforschen. Nach welcher Gegend er sich aber begeben wollte, hatte er niemand anvertraut. Der Mann war eben ein Original mit weitreichenden Plänen, doch es war bei ihm, um einen landläufigen Ausdruck zu gebrauchen, offenbar »eine Schraube locker«.
    Was Khamis und seine Gefährten auf ihrem Rückwege entdeckt hatten, bewies zweifellos, daß der Doctor in dem Walde bis zu der Stelle gekommen war, wo der von Max Huber auf seinen Namen getaufte Rio Johausen hinfloß. Nach Zurücksendung seiner Begleiter hatte er hier ein Floß gebaut und sich darauf mit einem zu seiner Bedienung zurückbehaltenen Eingebornen eingeschifft.
    So waren beide den Fluß hinuntergefahren, und zwar bis zu dem Sumpfgebiete, an dessen Grenze sie die vergitterte Hütte unter den Bäumen am rechten Ufer errichtet hatten.
    Bis hierher reichten die sicheren Quellen bezüglich des Abenteuers des Doctor Johausen. Bezüglich des später Geschehenen verwandelten sich jetzt die bisherigen Vermuthungen zu unumstößlichen Gewißheiten.
    Der Leser erinnert sich, daß Khamis damals, als er die verlassene Hütte durchsuchte, einen kleinen, kupfernen Kasten und darin eine Art Tagebuch gefunden hatte. Die Anmerkungen darin beschränkten sich freilich auf wenige, mit Bleistift geschriebene Zeilen von verschiedenem Datum, und zwar vom 27. Juli 1896 bis zum 24. August desselben Jahres.
    Daraus ergab sich jedoch, daß der Doctor am 29. Juli ans Land gegangen war, seine Einrichtung am 13. August vollendet und seine Hütte bis zum 25. August, im ganzen also dreizehn Tage lang, bewohnt hatte.
    Warum mochte er sie verlassen haben?… Vielleicht aus freien
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