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Das Dorf in den Lüften

Das Dorf in den Lüften

Titel: Das Dorf in den Lüften
Autoren: Jules Verne
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unerklärliche Gleichgiltigkeit gegen die Fremden, denen sie nicht die geringste Beachtung zu schenken schienen – eine Beachtung, die bei den Denkas, den Monbullus und andern afrikanischen Volksstämmen gewiß recht lästig empfunden worden wäre.
    Das war wieder nicht sehr »menschlich«.
    Nach einem langem Wege kamen John Cort und Max Huber nach dem Hauptplatze des Ortes, den die Aeste der letzten Bäume an der Westseite abschlossen, und von denen die üppiggrünen Zweige den Königspalast umrahmten.
    Vorn standen hier die Krieger in voller Waffenausrüstung und mit Antilopenfellen, die mit seinen Lianen zusammengehalten waren, bekleidet, die Anführer mit Steinbockschädeln auf dem Kopfe, deren Hörner eine ganze Herde vortäuschten. Der »Oberst« Raggi war gar mit einem Büffelkopfe bedeckt, und mit dem Bogen auf der Schulter, der Axt im Gürtel und dem Spieß in der Hand stolzierte er vor der wagddiischen Armee auf und ab.
    »Wahrscheinlich, meinte John Cort, beabsichtigt der Herrscher eine Truppenschau abzuhalten.
    – Ja wohl; doch wenn er nicht erscheint, kann das nur daran liegen, daß er sich vor seinen getreuen Unterthanen überhaupt niemals zeigt. Oh, man hat kaum eine Vorstellung davon, welch hohes Ansehen die Unsichtbarkeit einem Monarchen verleiht, und der hier…«
    Er wendete sich zu Lo-Maï, dem er sich durch Zeichen verständlich zu machen suchte.
    »Wird Mselo-Tala-Tala denn herauskommen?«
    Lo-Maï machte ein bejahendes Zeichen, doch als wollte er sagen:
    »Später… später!
    – Das ist gleichgiltig, erwiderte Max Huber, vorausgesetzt, daß es uns gestattet ist, sein erhabenes Antlitz zu betrachten…
    – Und da wollen wir, fuhr John Cort fort, uns von dem Schauspiele ja nichts entgehen lassen!«
    Die beiden Freunde beobachteten nun von dem, was erwähnenswerth erscheint, folgendes:
    Die baumlose Mitte des Platzes bildete eine freie Fläche von etwa einem halben Hektar. Jetzt füllte diese die Menge, die sich jedenfalls an den vor sich gehenden Festlichkeiten bis zu dem Augenblick betheiligen wollte, wo der Herrscher auf der Schwelle seines Palastes erscheinen würde. Ob sie dann wohl vor ihm niederfiel?… Ob sie ihm vielleicht göttliche Ehren erwies?…
    »Nun, bemerkte John Cort hierzu, solche Ehrenerweisungen hätten bezüglich der fraglichen Religiosität keinerlei Bedeutung, denn sie gälten ja doch nur einem Menschen.
    – Wenigstens, erwiderte Max Huber, wenn dieser Mensch nicht aus Holz oder Stein besteht. Wenn der Potentat nur ein Götzenbild wäre, von der Art derer, die die Eingebornen Polynesiens anbeten…
    – Dann, lieber Max, würde den Bewohnern von Ngala rein gar nichts mehr fehlen, ihnen die Würde als Menschen zuzugestehen. Sie hätten dann berechtigten Anspruch, ebenso wie die von Dir genannten Eingebornen, zur Menschheit gerechnet zu werden…
    – Vorausgesetzt, daß die anderen das verdienen, antwortete Max Huber in einem für die polynesische Rasse wenig schmeichelhaften Tone.
    – Gewiß, Max, schon weil diese an irgendwelchen Gott glauben, und noch nie ist es jemand in den Sinn gekommen oder wird es ihm einfallen, sie unter die Thiere zu rechnen, auch nicht unter die höchststehenden Vertreter der Thierwelt.«
    Dank der Familie Lo-Maï konnten John Cort, Max Huber und Llanga einen Platz bekommen, von dem aus alles zu übersehen war.
    Als die Menge die Mitte des freien Platzes geräumt hatte, begannen junge Wagddis beider Geschlechter einen Tanz aufzuführen, während die älteren zu trinken anfingen, als wollten sie es den Helden einer holländischen Kirmeß gleichthun.
    Die Waldmenschen verzehrten ein aus Tamarindenschoten hergestelltes, gegohrenes und gewürztes Getränk, das sehr alkoholreich sein mußte, denn man sah daß die Köpfe sich dabei bald erhitzten und die Beine der Leute unsicher wurden.
    Die Tänze erinnerten in keiner Weise an die hübschen Figuren eines Passe-pied (eines alten Schnelltanzes) oder eines Menuetts, arteten aber auch nicht aus zu den wüsten Verrenkungen und tollen Seitensprüngen, die man bei öffentlichen Bällen innerhalb der Pariser Bannmeile sehen kann. Im ganzen wurden sie mehr von Grimassen, als von Körperwendungen, und mehr von Purzelbäumen begleitet. Kurz, in diesen choreographischen Uebungen fand man weniger vom Menschen, als vom Affen, doch wohl verstanden, nicht von dem, der zur Vorführung seiner Künste auf Jahrmärkten abgerichtet ist, sondern von dem Affen, der nur seinen natürlichen Instincten
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