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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Tuch ein und blickte nervös zum Eingang. Der Zutritt war nach wie vor gesperrt, aber es schienen die ersten Eltern aufzutauchen, die sich in erregte Dispute mit den Kollegen am Flatterband verwickelten. Die Mädchen hielten ihr zerschmelzendes Eis. Es tropfte auf ihre kurzen, bunten Sommerkleidchen.
    »War das eine echte Hand?« Die Frage kam leise aus Dilshads Mund. Sie war bleich. Ihr roter Mund schien in ihrem Gesicht zu glühen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Sanela. »Wir untersuchen das gerade. Vielleicht war es ein Unfall. So was passiert. Auf jeden Fall wart ihr großartig. Wenn alle so schnell reagieren würden wie ihr, sähe die Welt besser aus.«
    »Echt?« Luise lutschte den Rest vom Stiel, legte ihn auf den Tisch und wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab.
    »Echt. Was glaubst du, wie oft ich mich schon geärgert habe, wenn Leute achtlos an etwas vorübergehen. Sie sollten sich ein Beispiel an euch nehmen.«
    »Danke«, sagte Dilshad leise.
    »Okay.« Sanela stand auf. »Wo ist der Luftballon?«
    Luise sah zu Boden. »Ich hab ihn losgelassen. Das war so … uh.«
    Die Erzieherin legte den Arm um das Mädchen und sah anklagend zu Sanela hoch.
    »Sind Sie jetzt fertig?«
    »Vielen Dank.« Sanela zog die Mütze aus ihrem Gürtel und setzte sie auf. »Ihr habt eine tolle Erzieherin. Sie passt gut auf euch auf. So eine hätte ich auch gerne gehabt. Seid brav und macht ihr das Leben nicht zu schwer. Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen«, sagte die Frau verdutzt.

4
    S anela verließ die Cafeteria und wunderte sich, dass es draußen noch stickiger geworden war als drinnen. Einige Eltern stürzten sich auf sie, aber sie wehrte die Fragen mit dem Hinweis auf die Kollegen von der Kripo ab, die jede Minute auftauchen müssten. Die Spurensicherung war zwischenzeitlich eingetroffen. Ein hagerer Mann gab den Tierpflegern die Anweisung, das Wasser aus dem Graben abzulassen. Der Tierparkinspektor stand nervös daneben und wurde gerade von den Pflegern informiert. Er hatte ein Handy in der Hand, das er zwischendurch immer wieder ans Ohr hob, um kurze Zusammenfassungen des Gehörten durchzugeben, wahrscheinlich an seinen Chef. Zwischendurch gab er dem Hageren ein kurzes Zeichen, was so viel heißen konnte wie »Ihr könnt jetzt loslegen«. Der Hagere quittierte das mit einem Kopfnicken. Menschen in weißen Overalls begannen, den weichen Boden Qua dratzentimeter für Quadratzentimeter abzusuchen. Sanela blieb vor dem Gatter stehen. Der Hagere bemerkte sie, kam auf sie zu und hob die Hand zu einem angedeuteten Gruß.
    »Was haben Sie bis jetzt gefunden?«, fragte sie.
    »Eine Hand, einen halben Unterschenkel und etwas, das aussieht …« Der Mann, zwei Köpfe größer als sie und mit den müden Zügen eines Menschen, der seinen Krug voll Elend und Leid schon bis zum Grund geleert hatte, öffnete den oberen Klettverschluss und fächelte sich mit dem Kragen etwas Luft zu. Er hatte ein schmales Gesicht mit vielen Falten, die sich unter seinem Kinn zu sammeln schienen. Die klugen Augen, verborgen unter schweren, zerknitterten Lidern, ruhten einen Moment auf ihr. Vielleicht wollte er abschätzen, was er ihr zumuten konnte. »Im Wirtschaftshof gibt es eine Veterinärklinik. Dorthin lasse ich die Kisten bringen. Professor Haussmann ist unterwegs.«
    Oho. Die graue Eminenz der Gerichtsmedizin.
    »Er kommt direkt aus der Charité und müsste gleich hier sein. Er wollte es so. Interessante Geschichte. Erlebt man nicht alle Tage.«
    Der Mann blickte über die Schulter zurück in das leere Gehege. Es erhob sich in einem sanften Hügel aus dem Wassergraben. Die Mitte war ein ebenes Plateau, auf dem eine Futterraufe stand. Sie war aus dunklem, grobem Holz gezimmert. Im Trog glaubte Sanela noch Reste von Pellets und Möhren zu erkennen.
    »Wo sind die Schweine?«
    »Wir haben sie im Stall zusammentreiben lassen. Lange halten die es da aber nicht aus.«
    »Wie viele sind es denn?«
    »Ein Dutzend.«
    Er schwieg und sah sie lange an. So lange, bis Sanela begriff.
    »Dann werde ich mal den Veterinär informieren«, sagte sie. »Hoffentlich kriegen die Tierschützer nicht Wind von der Sache.«
    »Hoffentlich trifft der Direktor bald ein. Für alle weiteren Maßnahmen brauchen wir sein Okay.«
    Sie sah sich zu dem Inspektor um, der immer noch in sein Handy redete. Sie konnte nicht verstehen, was er sagte. Aber seine Stimme hatte einen verzweifelten Unterton. Immer wieder warf er besorgte Blicke in das Gehege.
    »Wann kommt Gehring?«,
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