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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
Autoren: Christian Nürnberger
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Politik und Wirtschaft den Rat der von McKinsey beratenen Kirche? Das Prinzip, Geld generell nur noch in solche Projekte zu stecken, die Zukunft haben, könnte über kurz oder lang auch den Kirchenbetrieb als Ganzes die Existenz kosten.
    Die Welt wäre vermutlich erschüttert, wenn morgen der Kölner Dom zu Staub zerfiele. Wenn aber morgen alle haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiter aller Kirchen für immer aufhörten zu arbeiten, würden es die meisten über eine lange Zeit gar nicht bemerken. Sobald es bekannt würde, gäbe es natürlich ein mehrtägiges Medienrauschen, dessen Dauer von der übrigen Nachrichtenlage abhinge. Wäre gerade nicht viel los auf der Welt, bekämen alle Befugten und Unbefugten ausgiebig Gelegenheit, ein paar Tränen und Krokodilstränen der Betroffenheit zu vergießen. Aber dann, wenn alle alles mehrfach gesagt und beweint hätten – würden die Völker der Welt bitten, flehen und sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass es wieder eine Kirche gibt? Oder bestünde die Hauptreaktion in einem gleichgültigen Achselzucken und der Übereinkunft, die Welt könne sich gut auch ohne Kirche weiterdrehen, habe sich ohnehin während der letzten Jahrzehnte weitgehend ohne sie gedreht?
    Die Bischöfe gleichen heute den Besitzern eines Dampfers, der im Hafen liegt, schon lange nicht mehr fährt und vermutlich nie wieder fahren wird, weil der Motor kaputt ist. Es gibt eine Crew, die jeden Tag mehr oder weniger eifrig das Schiff putzt, Lecks abdichtet, das Dach streicht und tausend andere Dinge tut, um den alten Kasten zu erhalten, aber niemand aus der Crew kümmert sich um den Motor. Der Versuch, ihn zu reparieren oder auszutauschen, unterbleibt.
    Finanziert wird die Mannschaft aus Tradition von jenen vielen Menschen, die ganz woanders arbeiten. Die Mannschaft hofft, ihre Finanziers für ihre Arbeit zu interessieren und in das Schiff zu locken. Diese aber sehen nicht recht ein, warum sie ein Schiff besteigen sollen, das nicht einmal für eine Hafenrundfahrt taugt.
    Noch zahlen sie für den alten Kasten, wenn auch mit sinkender Bereitschaft, sinkender Überzeugung und wohl eher aus Gründen der Nostalgie und Tradition, auch aus dem pragmatischen Grund, die besonderen Anlässe des eigenen Lebens – Taufe, Hochzeit, Begräbnis – in den repräsentativen Räumen dieses Museumsschiffs mit dem dort üblichen Zeremoniell feiern zu können, ein teurer Luxus, wenn man die Beiträge addiert, die im Lauf eines Kirchensteuerzahlerlebens zusammenkommen.
    Weil die Zahl der Finanziers sinkt und zugleich deren Bereitschaft, diesen Museumsbetrieb weiter zu unterstützen, ist die Crew jetzt mit viel Eifer dabei, das stillgelegte Schiff neu aufzumöbeln, Versammlungsräume herzurichten, einen gastronomischen Service zu bieten, mit Promis, Konzerten, Partys und Events zu locken. Man entwirft auch dauernd neue, modern aussehende, auf unterschiedlichste Zielgruppen abgestimmte Kleinschiffe, Vergnügungsboote, Rettungsboote, baut zuweilen sogar den einen oder anderen Prototypen – fahren tun sie alle nicht.
    Sonntags, wenn sich eigentlich alle versammeln sollten, aber die meisten daheim bleiben, erzählt der Pfarrer den Wenigen, die erscheinen, Geschichten aus den Zeiten, in denen das Schiff noch über alle Meere fuhr. Wer aber tatsächlich sein Fernweh stillen will, geht dann realistischerweise doch besser ins Reisebüro.
    Einmal aber, in ferner Vergangenheit, muss das Schiff tatsächlich seetüchtig gewesen sein, denn es hat uns zu jener Insel gebracht, die wir heute bewohnen. Es hat uns die Energie geliefert, die nötig war, um aus dieser Insel jenen fruchtbaren Garten zu machen, von dem drei Viertel der Weltbevölkerung träumen. Der Motor dieses Schiffs hat uns einst die Kraft verliehen, den weltgeschichtlichen Ausnahmezustand zu errichten.
    Ihn zu verteidigen, fehlen uns nun das Wissen und die Kraft. Erst recht fehlen Wissen und Kraft, um den Ausnahmezustand in jenen Regionen zu etablieren, in denen die Völker davon träumen.
    Aber das Wissen wäre da. Es müsste nur ausgegraben werden. Und dann bedürfte es nur noch des Willens, das Wissen anzuwenden. Wenige würden genügen, um einen Anfang zu machen. Damals, als alles anfing, hatte einer genügt.

EIN WORT ZUR VERWENDETEN LITERATUR
    Was ich schon in früheren Büchern ( Kirche, wo bist du?, dtv, und Die Bibel , Rowohlt · Berlin) bekannte, muss ich auch hier wiederholen: Die Basis dessen, worauf meine Sicht des Christentums und der Kirche ruht, bildet nicht
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