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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
Autoren: Christian Nürnberger
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bezeichnen ihre Mitglieder als Kunden, fragen deren Wünsche ab, trimmen ihr Personal auf Kundenorientierung, offerieren ein spirituelles Angebot, denken über ihre Corporate Identity nach, beschäftigen sich mit Profilschärfung und Professionalisierung, und statt Weltgestaltung stand in den letzten Jahren die Gestaltung des kirchlichen Briefpapiers auf ihren Tagesordnungen. Ihr Gottesdienst mutiert zum Kundendienst. Aus Kirchtürmen sollen Leuchttürme werden, und auf deren Spitze kräht der Hahn, dass der Mann am Kreuz schon wieder verraten und verkauft wird.
    Statt nach der Wahrheit des Kreuzestods zu fragen, fragen sie: Welche neuen Gottesdienstformen, Liturgien, Events locken den modernen Sinnkonsumenten in die Showrooms der Kirchen? Mit zeitgemäßen zielgruppengerechten Dienstleistungen – gefühligen Taufzeremonien, professionellem Kommunions- und Konfirmations-Service, rauschenden Hochzeitsfesten, schicken Begräbnispartys – soll die Kirche wieder massenkompatibel werden und der Kunde spendenbereit.
    So mancher Bischof bewegt sich heute am Rande der Schizophrenie, wenn er sich einerseits darin gefällt, wie ein Manager zu reden, und sich andererseits auch noch jener alten Universitätstheologie verpflichtet weiß, die er einmal als Student gelernt hat. Als im Januar die EKD in Wittenberg über ein Impulspapier zur Zukunft der Kirche beriet, wunderte sich die FAZ, dass in den Ergebnisprotokollen des Wittenberger Kongresses «organisationstheoretische Floskeln aus der Unternehmensberatung völlig unvermittelt neben religiöser Sprache» standen, beispielsweise folgte auf ein Wort wie «quantitative Zielvereinbarungen überprüfen» die Rede vom Salz der Erde und vom Licht der Welt .  32 Und danach war dann wieder «die Marke evangelisch » dran. Kein Wunder, dass unter solchem Geschwurbel das Salz taub wird und das Licht zum Irrlicht mutiert.
    Wir erleben derzeit, wie die stets unbequeme, überall aneckende, zu allen Zeiten provokante, unverkäufliche Botschaft Jesu von seinen Nachfolgern umfunktioniert wird zur gefälligen, stromlinienförmig an den Markt angepassten Wellness-Religion. «Bleib deinen Träumen auf der Spur», «Quellen innerer Kraft», «Im Einklang mit sich selbst sein», «Sich selbst vergeben», «Mit sich selbst eins werden», «Sich selbst nicht weh tun», «Zum Grund des eigenen Lebens finden» – so tönt es dem Sinn-Nachfrager aus christlichen Traktätchen, Einladungen zu Meditationswochenenden, Werbebroschüren für den Aufenthalt im «Kloster auf Zeit», kirchlichen Durchhalteblättchen und innerlichkeitstriefenden Büchlein über Seelengebaumel entgegen. Es ist die Einladung zum Tanz ums Goldene Selbst.
    Dem orientierungslos um sich selbst kreisenden, ewig von Stress und Ängsten geplagten Lifestyle-Konsumenten verkaufen die McKinsey-Kirchen alte Werte und neue Spiritualität, zeitlose Wahrheiten und moderne Mystik, innere Ruhe und sanfte Entspannung durch Entschleunigung. «Enjoy it», lautet das Motto eines zunehmend in der Kirche gepflegten Verkündigungsstils – Kraft durch Freude auf modern. Nicht mehr Salz der Erde soll das Christentum sein, sondern Zucker für die Verwöhnten, das Sahnehäubchen auf dem Leben derer, die schon alles haben.
    Die Religion wird wieder Opium fürs Volk. Die New Church, die da nach einer Blaupause aus den McKinsey-Büros mit marktgängigen Sinnkonstruktionen dealt, taugt gut als Schmiermittel des sich als alternativlos gebärdenden Totalkapitalismus und passt bestens in jene postindustriellen Brachen der Freizeit- und Spaßgesellschaft, in denen sich schon die Beauty-Farmen, Badelandschaften und Ayurveda-Tempel angesiedelt haben. Unter den säkular-esoterischen Zirkusnummern, die dort gespielt werden, ist auch noch Platz für ein paar kirchlich-spirituelle. Das finanzielle Überleben eines multinationalen Religionskonzerns lässt sich damit gewiss sichern. Sein Volk aber wird sich der liebe Gott künftig woanders zusammenklauben müssen.
    Bischöfe der McKinsey-EKD stellen mittlerweile jede althergebrachte kirchliche Aufgabe auf den Prüfstand und damit auch jeden mit der Aufgabe befassten Stelleninhaber. Dieser muss seinem Bischof jetzt darlegen, was «der evangelischen Kirche fehlen» würde, «wenn es diese Aufgabe nicht mehr gäbe». Und wenn nun die Bischöfe darlegen müssten, was der Welt fehlen würde, wenn es sie und ihre teuren Apparate nicht mehr gäbe? Bedarf die Welt einer Kirche, die der Weisheit der Welt bedarf? Brauchen
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