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Das Café am Rande der Welt: Eine Erzählung über den Sinn des Lebens (German Edition)

Das Café am Rande der Welt: Eine Erzählung über den Sinn des Lebens (German Edition)

Titel: Das Café am Rande der Welt: Eine Erzählung über den Sinn des Lebens (German Edition)
Autoren: John Strelecky
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offensichtlich der Küchenchef. Als Casey etwas zu ihm sagte, sah er zu mir hin und winkte mir freundlich zu.
    Ich winkte zurück, kam mir aber etwas lächerlich dabei vor. Normalerweise winke ich Köchen in Cafés nicht zu. Casey und der Mann unterhielten sich ein paar Minuten, dann legte sie den Bestellzettel auf eine kleine runde Drehscheibe und kam wieder auf meinen Tisch zu. Der Mann drehte die Bestellung zu sich hin, sah sie einen Moment lang an und nahm sie dann mit in die Küche.
    Ich widmete mich wieder der Rückseite der Speisekarte. Als ich die erste Frage – »Warum bist du hier?« – noch einmal las, nahm Casey mir gegenüber Platz.
    »Das ist Mike«, sagte sie. »Ihm gehört dieses Café und er bereitet alle Gerichte zu. Er hat gesagt, dass er herauskommen wird, um Sie kennen zu lernen, sobald er die Gelegenheit dazu hat. Ich habe ihn gefragt, was er von Ihrer Bestellung hält. Er meinte, es sei eine ganze Menge, aber er denkt, dass Sie es bewältigen können.«
    »Das ist aber ein besonderer Service.«
    »Das denken wir auch«, antwortete sie. »Um darauf zurückzukommen«, sagte sie und deutete auf die Stelle der Karte, wo es darum ging, sich vom Servicepersonal beraten zu lassen, »das bezieht sich auf die Frage auf der Rückseite, die Sie immer wieder lesen.«
    Ich fragte mich, wie sie Letzteres wissen konnte, aber ich antwortete nicht.
    »Wissen Sie«, fuhr sie fort, »es ist eine Sache, diese Frage zu lesen, und eine ganz andere, sie zu verändern.«
    »Ich bin nicht sicher, dass ich das verstehe.«
    »Es klingt einfach, so als wäre es ohne Bedeutung«, meinte sie, »aber wenn Sie nur ein paar Buchstaben dieser Frage verändern, verändern sich die Dinge.«
    »Die Dinge verändern sich? Welche Dinge? Bedeutet es etwa, dass ich hier nicht essen kann oder etwas anderes bestellen muss?«
    »Nein«, sagte sie und wurde plötzlich ernster, »es geht um grundlegendere Veränderungen.«
    Ich konnte ihr definitiv nicht folgen, aber sie meinte es offensichtlich ganz ernst. »Was wollen Sie damit sagen?«
    Casey deutete erneut auf die Karte.
    »Wenn Sie die Frage so verändern, dass Sie diese nicht mehr an jemand anderen richten, sondern an sich selbst, werden Sie nicht mehr der Gleiche sein.«
    Ich war perplex. Nicht mehr der Gleiche sein? Was bedeutete das? Was war dies für ein Ort? Ich hatte plötzlich das Gefühl, am Rande einer hohen Klippe zu stehen, und ich war nicht sicher, ob Casey mir erklärte, dass ein Schritt in eine bestimmte Richtung den unmittelbaren Tod oder aber ewiges Glück bedeutete.
    »Es ist so ähnlich«, sagte sie freundlich, »aber nicht so bedrohlich.«
    Bevor ich fragen konnte, woher sie wusste, was ich dachte, fuhr sie fort: »Lassen Sie es mich Ihnen erklären, ohne dass Sie den ersten Schritt machen. Lesen Sie die erste Frage auf der Karte, aber betrachten Sie sie losgelöst, etwa so wie Sie die Überschriften einer Zeitung lesen würden.«
    Ich blickte auf die Karte. Zu meiner Überraschung lautete die Frage nicht länger
    warum bist du hier?
    sondern
    warum bin ich hier?
    Sobald ich das gelesen hatte, veränderten sich die Worte wieder zu »Warum bist du hier?«
    »Was ist passiert?«, rief ich aus. »Hat sich die Karte gerade verändert? Wie haben Sie das gemacht?«
    »Ich bin nicht sicher, ob Sie bereit für die Antwort sind, John.«
    »Wie meinen Sie das? Wie haben Sie das denn angestellt, wie haben Sie die Karte verändern können?« Mittlerweile war ich angesichts dessen, was vor sich ging, völlig verwirrt und keineswegs sicher, dass ich bleiben und es herausfinden wollte. Doch Casey beanspruchte meine Aufmerksamkeit bereits mit einer neuen Frage.
    »Haben Sie gesehen, wie sich der Wortlaut verändert hat, John?«
    »Aber sicher! Als ich den Text zum ersten Mal las, stand dort eine bestimmte Frage, dann veränderte sie sich und jetzt steht da wieder die ursprüngliche Frage. Warum ist das so? Und wie konnte das geschehen?«
    Casey drehte die Karte um, so dass man die Vorderseite sehen konnte, und deutete auf den Hinweis »Vor-der-Bestellung …«. »Es ist so, John«, begann sie, »die Frage, die Sie gelesen haben und die sich verändert hat …«
    »In diejenige, die lautete ›Warum bin ich hier?‹«, unterbrach ich sie.
    »Ja, genau die! Es ist eine Frage, die man sehr ernst nehmen sollte. Sie zu lesen ist eine Sache. Aber wenn Sie über das Lesen hinausgehen, wenn Sie sie wirklich wahrnehmen und sich diese Frage selbst stellen, dann verändert sich Ihre Welt.
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