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Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon

Titel: Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
Autoren: Anonymus
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der Geisterstunde geblieben, und jedes Jahr war sie einsam und enttäuscht nach Hause gegangen. Trotz alledem war es immer noch die beste Stunde eines jeden Jahres. Es lag ein eigenartiges Vergnügen darin, sich selbst einzureden, dass er zurückkehren würde wie versprochen und wie es die verrückte – und inzwischen verstorbene – Mystische Lady geweissagt hatte.
    Die dunkelgrauen Wolken schienen den Vollmond zu umkreisen, als versuchten sie, ihn vor Beth zu verbergen. Und als das Ende der Halloween-Geisterstunde wieder einmal herannahte, wie es in jedem Jahr so rasch der Fall war, starrte sie hinaus auf die Wellen. Der Sturm ließ allmählich nach. Die Wolken waren zum Stadtzentrum hinübergeweht worden, nachdem sie vom Ozean aus, woher sie gekommen waren, die Hafengegend passiert hatten. Das Chaos der vorangegangenen Stunden hatte eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Promenade war übersät mit Abfall, der aus umgekippten Mülltonnen und zerschmetterten Pflanzenkübeln herbeigeweht worden war. Doch wenigstens war der Regen zu einem schwachen Nieseln abgeklungen, und der heulende Sturm war nur noch eine sanfte Brise, die sich in Beths knöchellangem Rock verfing und den Saum ein wenig nach oben flattern ließ. Das Kapuzensweatshirt, das Bertram Cromwell ihr gegeben hatte, war vollkommen durchnässt, doch Beth fror nicht. Das Regenwasser, das ihre Kleidung am Oberkörper kleben ließ, war im Gegenteil eher warm, beinahe behaglich, und mit dem dünnen Nebel, der über den Wellen schwebte, fühlte sie sich wie in ihrem eigenen riesigen Outdoor-Dampfbad.
    Das Einstimmen auf Halloween war für Beth faszinierender als für die meisten einheimischen Jugendlichen. Unglücklicherweise jedoch erlebte sie jedes Mal eine traurige Enttäuschung, wenn die anfängliche Aufregung zusammen mit ihrem Herzklopfen, dass JD diesmal endlich kommen würde, allmählich zusammen mit den Sternen verblasste. Und wie jedes Jahr kehrten ihre Gedanken auch diesmal wieder zu dem Augenblick zurück, als sie ihre Stiefmutter umgebracht hatte. Diese Bilder waren nicht mehr als kurze Blitze in ihrem Kopf. Es waren JD s warmes, lächelndes Gesicht und seine ruhige Selbstsicherheit, die die meiste Zeit über ihre Gedanken erfüllten. Und in den letzten Minuten, während sie betete, dass er doch noch auftauchte, empfand sie jedes Mal einen finalen Rausch von Aufregung und Traurigkeit. Während jener Minuten wagte sie nie, den Pier entlang zum Ufer zu blicken, sondern wandte ihm den Rücken zu und starrte hinaus aufs Meer, während sie sich einredete, dass er sich von hinten heranschlich, um sie zu überraschen, sobald der Mond verschwand. Jedes Jahr erlebte sie die gleiche Enttäuschung, und dieses Jahr bildete keine Ausnahme. Sie beobachtete, wie die Wolken allmählich den Mond verhüllten und sich am Horizont die ersten Spuren des frühen Leuchtens der Morgendämmerung zeigten, die bald einsetzen würde.
    Sie hatte gehofft, dass das silberne Kreuz und die Halskette, die der Professor ihr gegeben hatte, ihr dieses Jahr ein wenig Glück bringen würden. Falls das Kreuz Böses abwehren sollte, so hatte es offensichtlich funktioniert, doch es hatte JD nicht zu ihr zurückgebracht. Sie öffnete die Halskette und nahm sie ab, während sie ein letztes Mal hinaus auf das Meer sah. Und dann, als die ersten Tränen über ihre Wangen liefen, schleuderte sie die Kette mitsamt dem silbernen Kreuz hinaus in die Wellen, so weit sie konnte.
    Wäre JD noch am Leben gewesen, er wäre sicher zu ihr zurückgekehrt. Sie musste endlich akzeptieren, dass er tot war, weil alles andere bedeutete, dass er sie nicht so sehr liebte wie sie ihn. Daher hoffte sie jetzt insgeheim, ohne das silberne Kreuz mit dem eigenartigen blauen Stein darin, das Böses von ihr abwehren sollte, dass irgendein Übel erscheinen würde, um ihre Zeit auf Erden zu beenden und sie ins Jenseits zu befördern, wo sie JD treffen würde und den Rest der Ewigkeit mit ihm verbringen konnte.
    Sie wischte die Tränen von den vom Wind geröteten Wangen und wandte sich zur Stadt um. Der Weg vom Pier zurück ans Ufer war weit, und sie wünschte sich jedes Mal, er möge niemals enden. Doch er endete, wie alles, und bald darauf war sie auf der Promenade und auf dem Weg nach Hause.

Fünfundsechzig
    » Hey, Arschloch !«, grollte eine laute Stimme über den Lärm von Wind und Regen.
    Kacy spürte, wie Swann zusammenzuckte und sein Griff um sie erschlaffte. Sein Körper presste sich nicht mehr so fest
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