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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman
Autoren: Dbc Pierre
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größer ist als gedacht.
    Schließlich wendet er sich an das Mädchen – »Könnten Sie mir Gabriels Akte holen?« – und sagt dann zu mir: »Gabriel, Gabriel – so barock! Da weiß ich ja gar nicht, ob ich Sie behandeln oder verlegen soll!«
    Jetzt ist er plötzlich ein Mann mit Humor. Was mir erheblich gegen den Strich geht. »Hm.« Ich sehe mich um. »Wenn ich einfach nur meine Sachen kriegen könnte.«
    Auf der Lippe herumkauend, schiebt er sich wieder näher an mich heran. »Wissen Sie, ich bin enttäuscht. Wir sind ja für Sie da, aber den ersten Schritt müssen Sie selber machen. Lassen Sie uns an sich ran, Gabriel. Es ist ein Vertrag – beide Seiten müssen etwas davon haben. Ich kann nicht zulassen, dass Sie ausweichen.«
    Nachdenklich kratze ich mir die Kopfhaut. »Mr. West – eine Rechnung über zwei Wochen für eine einzige Übernachtung sieht mir nicht danach aus, als ob hiervon wirklich zwei Seiten profitieren.«
    »Hören Sie«, sagt er, »ich weiß, dass Sie nicht der allerzufriedenste Kunde sind. Das ist auch in Ordnung. Aber Sie kommen vom selben Planeten wie wir, Sie wissen also, wie die Dinge laufen. Das hier ist kein Hotel. Wenn es uns ernst damit ist, Ihnen zu helfen, dann müssen wir Ihr Zimmer für die Zeit des gesamten Kurses abschließen. Auch ich halte nicht mehr von Geschäftsbedingungen als Sie, aber …«
    »Warum machen Sie dann nicht das, von dem Sie selbst wissen, dass es nur fair wäre?«
    »Gabriel, so läuft es eben in unserem Geschäft. So leben wir. Von niemandem, in keinem System, kann erwartet werden, dass er seine Existenzgrundlage aufgibt. Überleben ist keine kapitalistische Kategorie.«
    »Entschuldigung – aber eine tausendprozentige Geldbuße im Kleingedruckten ist sehr wohl eine kapitalistische Kategorie. Und hat auch irgendwie was mit Überleben zu tun.«
    »Aber das ist doch keine Geldbuße; Sie haben ein Produkt von zweiwöchiger Dauer gebucht. Der Vertrag sagt klar und deutlich, dass Sie annehmen oder ablehnen können – die Bedingungen sind klar.«
    »Alles schön und gut, wenn da nicht dieser eine Punkt wäre: Ich persönlich habe keinerlei Produkt von keinerlei Dauer und unter keinerlei Vertrag gebucht.«
    David sagt nichts und sieht auf die Uhr. Dann seufzt er: »Ob Sie oder Ihr Vater, das ändert nichts an der Sache. Und da es Ihr Vater war, der sich für die Buchung verbürgt hat: Sollen wir jetzt etwa darüber diskutieren, dass Sie drauf und dran sind, ihm das Vertrauen aufzukündigen? Nach allem, was passiert ist? Könnte man Ihre Zwangseinweisung nicht auch als eine Art Diebstahl interpretieren? An Ihrem Vater?«
    »Ich habe geschlafen, als er mich eingeliefert hat.«
    »Geschlafen.« Das zeitigt ein Funkeln in seinen Augen. »Oder waren Sie vielleicht bewusstlos?«
    Mein Gesicht erinnert ihn daran, dass beide Zustände nichts anderes als Schlaf sind. Aber er macht weiter: »Sehen Sie, Gabriel, der Kurs dauert zwei Wochen, weil es mindestens so viel Zeit braucht, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Das ist komplex. Sie sind komplex. Sie können sich nicht nach weniger als einem Tag hier hinstellen und sich über ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis beschweren. Zweiundvierzig Sitzungen, täglich eine Einzel-, eine Gruppen- und eine Ad-hoc-Sitzung – versuchen Sie mal, das zu unserem Preis in London zu kriegen.«
    Das Dalí-Mädchen kommt mit einem fliederfarbenen Ordner zurück und gibt ihn David.
    Ich raunze sie an: »Können Sie jetzt einfach mal meine Sachen holen!« Sie fährt zusammen.
    »Also bitte.« David hebt die Hand. »Susanna hat Anspruch auf ein gesittetes Arbeitsumfeld.«
    Während er redet, fällt mir seine Haut auf: Sie ist trocken und dünn wie Papier. Zusammen mit seinen verhärmten Gesichtszügen verhilft mir das zu der Erkenntnis, dass die Enthusiasmen mir ein Zeichen geben:
    David West ist ein Origami-Mensch. 7 Von der Kultur geschickt zur Illusion eines Menschen geglättet, geknickt und gefaltet, eine Schmuckserviette, deren Ideen nicht über die eigenen Falze hinausreichen und die andere auffaltet, um sie dann als ihr Ebenbild neu zusammenzufalten. Als David vom Ordner aufblickt, muss ihm das Entsetzen in meinem Blick auffallen, denn sein Gesicht wird fast noch schärfer.
    »Langsam werde ich böse«, sagt er. »Ich habe viel Geduld gehabt, obwohl ich wegen Ihnen zu spät zu den anderen Klienten komme. Sind deren Probleme nicht genauso wichtig wie Ihre? Sollen nur wegen Ihres Verhaltens alle ihr Recht auf Behandlung
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