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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Marlene Klaus
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Gehorsam konnte er das schaffen. Auch wenn er als Knecht unter allen Schreibern stand. Man konnte aufsteigen. Ahnte Nickel dies? Fühlte er, dass ihn, Philipp, ein Ehrgeiz trieb, der ihm gänzlich fremd war? Wie auch immer – Nickel quälte ihn. Er musste einen Weg finden, dies zu unterbinden.
    Aber nicht heute Abend! Heute war Martini. Hedwig, Juli, Kilian und die Freunde später im Wirtshaus. Er machte sich daran, die Zollzeichen in dem Kasten zu verwahren. Zollzeichenschreiber Wernig würde sie morgen beschriften, erst durch seine Schrift erhielten sie ihre Gültigkeit.
    Philipp dachte, dass die Männer, die noch immer in der Kanzlei arbeiteten, dies gewiss nicht mehr allzu lange tun würden – auch sie wollten sicherlich den Martinsabend mit einem Umtrunk beschließen.

Drei
    Im Dunkeln mussten die Menschen den Weg mit den Ohren finden. Oder mit der Nase.
    Das gelang Hedwig inzwischen auch in Heidelberg. Wenn sie sich auch noch immer nicht so mühelos wie in ihrem Heimatdorf bewegte, wo sie sich vom Duft eines Geißblattbusches oder dem Gestank von Hübner Müllers Misthaufen hatte leiten lassen, so fand sie sich doch auch in Heidelberg am Kläffen der Hunde zurecht. Hatte zu Hause das Blöken der Schafe des Wersauer Schafshofs sie gelenkt, wenn sie nachts von einem heimlichen Treffen mit Philipp in ihr Elternhaus zurückkehrte, so wusste sie in der Stadt inzwischen um die Beschaffenheit des Straßenpflasters und wo sie Unebenheiten und Löchern ausweichen musste.
    Dennoch blieb sie nun zögernd am Anfang der Unteren Gasse stehen, die vor ihr lag wie ein schwarzes Loch. Das unbehagliche Gefühl wich nicht. Sie sah zurück zum Marktplatz, den sie eben überquert hatte. Laternen und Fackeln tupften Lichtpunkte in die Dunkelheit, ein Schragentisch wurde umflackert von Rübengeistern, ausgehöhlten und von innen her erleuchteten Rübenköpfen, die schaurig grinsten. Es raschelte, als die Händler ihre groben, wachsgetränkten Leinwände über ihre Verkaufstische breiteten. Dahinter leuchtete das Gemäuer von Heiliggeist rotbraun im Fackelschein. Die Bäcker und Kammmacher, Töpfer und Goldschmiede harrten noch in ihren Verkaufsbuden zwischen den Außenstreben der Kirche aus, um späte Geschäfte zu machen. Bis hierher roch es nach Brezeln und Wellfleisch, und aus der Richtung des Fischmarkts drang ihr der Geruch heißer Maronen in die Nase. Sie war zuvor an der Kirche stehen geblieben, hatte sich vom Duft der kleinen Mandelkuchen verführen lassen und beim Zuckerbäcker zwei davon gekauft. Dabei hatte sie sich beobachtet gefühlt und sich umgeschaut. Doch da war nichts gewesen. Etwas war nicht da und doch da, wie ein gestaltloses Gespenst. Sie fühlte sich unbehaglich, weil ihr der Mann vor der Kirche wieder einfiel, den sie vom Fenster aus gesehen hatte. Warum hatte sie nicht Appel gefragt, ob der ihr ebenfalls aufgefallen war? Wenn nein, täuschte sie sich wohl. Doch wenn ja, wäre es leicht gewesen, Herrn Belier darauf hinzuweisen. Vielleicht hätte er ihr Velten zur Begleitung mitgegeben. Sie ärgerte sich über sich selbst. Sollte sie zurück?
    Sie betrachtete die Lichtflecken auf dem Marktplatz, spähte nach Gestalten. Ein Mann hielt eine Laterne hoch, sah einem anderen ins Gesicht und lachte. Ein Bauer schrie einem Jungen eine Anweisung zu. Flocken taumelten sacht aus der Schwärze des Nachthimmels.
    Sei nicht dumm, Hedwig, schalt sie sich. Hier gehen Leute in unterschiedlichsten Geschäften umher, Amtleute, Vasallen, Studenten. In einer Stadt wie Heidelberg ist doch stets etwas los. Kein Grund, sich Sorgen zu machen!
    Sie legte den rechten Arm um die schlafende Juli und sah auf die Giebelhäuser vor sich in der dunklen Gasse. Hier begann das Vierte Quartier, in dem sie und Philipp wohnten. Es war das Viertel östlich des Rathauses, zu dem auch die Jakober Vorstadt jenseits der östlichen Stadtmauer sowie Schlierbach gehörten, das jenseits des Neckargemünder Tores lag. Sie musste die Gasse nur weitergehen, fast bis zum Ende an der Stadtmauer. Auf deren Wehrgang würden zwei bewaffnete Wachmänner mit Fackeln Aufsicht halten. Am Jakober Tor selbst würde eine Laterne hängen, ein Licht, auf das sie zuhielt – tagein, tagaus auf dem Heimweg. Doch irgendwie weigerten sich ihre Füße weiterzugehen, was sie an die Angst ihrer Anfangszeit in Heidelberg erinnerte. Sie hatte mit Philipp hier leben wollen und war doch nicht darauf gefasst gewesen, wie sehr die unzähligen Wege, Pforten, Steinhäuser,
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