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Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Titel: Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung
Autoren: Mike Wächter
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Beinkleider. Er hatte sich erbärmlich gefühlt in den letzten Tagen und Wochen, seit ihn die Nachricht vom Tode seiner Mätresse Françoise Desprès-Verneuil erreichte. Mit ihr war es das erste Mal, dass er die Liebe zwischen Mann und Frau erfahren hatte. Seither drangsalierten ihn die Gedanken an den Tod bei Tag und bei Nacht. Es war fast so, als sei er selbst bereits zwei Mal gestorben. Das eine Mal beim Tode seines Sohnes, des Thronfolgers – und erneut beim Tod seiner Geliebten.
    Das junge Mädchen rüttelte an seiner Strumpfhose und zwickte ihn in den Penis. Er schlug ihr auf die Finger und stieß ihren fragilen Körper weg. Sie war eine Balletttänzerin, nicht älter als 17 oder 18.
    Heute Abend im Foyer der Hofoper hatte er sie entdeckt und nach der Aufführung zu sich rufen lassen. Er hatte sich nach einem warmen Körper gesehnt, an den er sich anschmiegen konnte bei Nacht, wenn die kalten Visionen des Todes ihn in seinem Bett aufsuchten. Er hatte freiwillig auf ein Paradebett verzichtet, weil er sich vor der Leere eines derartigen samtverhangenen Schlafmonstrums fürchtete. Auch wenn seine Gemahlin das in aller Öffentlichkeit für verrückt erklärt hatte.
    Die Tänzerin kniete zwei Meter vor ihm im grünen Damast auf allen vieren und sah ihn verschüchtert an. Er hatte sie gefragt, ob sie Französin sei, vorhin, als er sie zu sich bestellt hatte. »Nein«, hatte sie gesagt und er hatte leise geseufzt. »Ach so«, hatte er gesagt und sie trotzdem mit zu sich in sein Appartement genommen. Jetzt war sie hier und er war sich bewusst, da er sie seit bald einer Stunde von Nahem gesehen hatte, dass sie wirklich nicht viel Ähnlichkeit mit Françoise besaß.
    »Dreh dich um«, flüsterte er mit erstickter Stimme.
    Das Mädchen gehorchte und wandte sich um.
    »Gut«, sagte er und dachte für einen Moment darüber nach, sich zu ohrfeigen, um zur Besinnung zu kommen. Stattdessen beugte er sich vor, hob das Kleid der Dame und ihren Unterrock. Er ließ seine Hosen herunter und kroch mit den Knien hinter sie, bis er ihre Pobacken an seinen Beinen spüren konnte. Dann drang er in sie ein.
    So hatte er den Akt früher vollzogen, als er noch mit seiner Gemahlin beisammenlag. In der Hoffnung, eines Tages einen Thronfolger zu zeugen.
    Er atmete aus und ein. Der Akt dauerte kurz. Wenigstens konnte er den Druck zwischen seinen Beinen erleichtern, der ihm seit Tagen das Hirn vernebelt hatte.
    Politik ist widerlich, dachte er, wenige Sekunden, nachdem er sich aus der Frau zurückgezogen hatte. Wie sonst hätte man ihm solch eine Ehefrau aufzwingen können wie die seine, wenn es nicht um Staatskunst gegangen wäre. Er hatte schon in seiner Kindheit bemerkt, dass er sich mehr für die Künste interessierte als für die Strategie und den Krieg. Aber erst in seiner Hochzeitsnacht wurde ihm die unumstößliche Wahrheit bewusst – er würde niemals ein politisch engagierter Fürst sein können.
    Die Tänzerin räusperte sich, sie kicherte geniert. Er sah sie an. Als sein Blick ihren traf, sprang er vom Bett und zerrte seine Hose hoch.
    »Verschwindet!«
    Er stand mit dem Rücken zu ihr.
    »Aber ...«
    Er hob die Hand.
    Die Dame sortierte ihre Kleidung und verließ schweigend das Schlafzimmer. Wahrscheinlich hatte sie sich Hoffnungen gemacht, die soeben zerbrochen waren.
    Als sich die Tür hinter dem Mädchen schloss, schlug sich der Kurfürst ins Gesicht.
    »Idiot!«
    Jetzt hatte er morgen eine Menge zu beichten. Dabei wusste er selbst am besten, dass er nicht in der Lage war, eine sexuelle Beziehung zu pflegen, wenn er nicht verliebt war. Seit seiner Hochzeitsnacht wusste er es!
    Er trat ins benachbarte Garderobenzimmer und von dort ins Audienzzimmer, wo die Gemälde hingen, und betrachtete die Wand. Dort waren drei Bilder seiner verstorbenen Geliebten angebracht. Alle drei Bildnisse von verschiedenen Malern. Er starrte sie nacheinander an.
    Minutenlang. Versunken in Pinselstrichen und Farbspielen.
    Drei Meister schaffen drei Gemälde, und keines stellte sie wirklich dar.
    Er erhob seine Hand, ballte sie zur Faust, wollte schon das Gemälde, das vor ihm hing, mit den Fingern zerreißen, dann besann er sich.
     
    Am nächsten Morgen lief Jean Philippe, einer der Kammerdiener des Kurfürsten, sichtlich verwirrt durch die weitläufigen Flure der Residenz. Hinter ihm ging der Maler Johann Christian von Mannlich.
    Warum, fragte sich Jean Philippe, warum wünschte der Kurfürst bei den ersten Strahlen der Morgensonne, dass man ihm einen
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