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Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Titel: Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung
Autoren: Mike Wächter
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starrte ihn an. Scharfe Zähne schnappten nach ihm.
    Er wich zurück.
    Doch dann erkannte er, was ihn so sehr erschreckt hatte. Ein großer, präparierter Fisch, der auf einer Säule thronte, direkt auf seiner Augenhöhe.
    Er lachte über sich selbst und über seine Schreckhaftigkeit. Erleichtert begab er sich auf den Rückweg zur Bibliothek. Im Türrahmen des Kabinetts stieß er mit etwas zusammen. Diesmal fürchtete er sich nicht, als er den Leuchter emporhob, um das Hindernis genauer zu betrachten.
    Der Schein der Kerzen flackerte sanft über die Konturen eines Krähengesichts. Die Konturen einer schwarzen Karnevalsmaske.
    Der Bibliothecarius machte einen Schritt zurück und blieb wie erstarrt stehen.
    Als der Mann, der zu der Maske gehörte, seinen dicken schwarzen Umhang bewegte, drehte er sich um und rannte davon. Er ließ sich ohne nachzudenken von seinen Füßen tragen, bis er im Büchersaal ankam.
    Wohin jetzt? Warum war er nicht in den Flur abgebogen und in den Hof gerannt?
    Er saß in der Falle. Wieder hallten Schritte durch die Flure. Sie kamen näher. Er löschte die Kerzen und stellte den Leuchter hektisch auf dem Boden ab. Er hatte eine Idee. Der Haupteingang! Noch während er zur Tür des Eingangsportals rannte, kramte er in der Tasche seines Rocks nach dem Schlüsselbund.
    Klack! Klack!
    Die Schritte auf dem Holzparkett hinter ihm wurden lauter. Schweiß tropfte von seiner Stirn, als die Schlüssel durch seine Finger glitten.
    Welches ist der richtige! Verdammt!
    Er steckte den erstbesten Schlüssel ins Schloss. Erfolglos.
    KLACK! KLACK!
    Der nächste Schlüssel donnerte ins Schloss. Knack. Die Tür öffnete sich. Die Erleichterung wich dem Schock, als er durch das Portal treten wollte. Vor der Tür stand ein Krähenmann und starrte ihn an.
    Er drehte sich um und wollte umkehren. Doch da kam der andere Maskierte mit bedächtigen Schritten und schnitt ihm ebenfalls den Weg ab. Der einzige Ausweg war die geheime Treppe. Er stürzte sie hinauf.
    Im obersten Stock rannte er auf die Galerie.
    Und nun?
    Nun waren die Schritte auf der Treppe zu hören. Er beugte sich über die Brüstung und starrte nach unten. Einen Sprung aus dieser Höhe würde er nicht überleben.
    Als die erste Maske hinter dem Vorhang zur Treppe auftauchte, warf er sich reflexartig über das Geländer und hielt sich mit beiden Händen fest.
    Wenn ich es schaffen könnte, mich auf den nächsten Balkon fallen zu lassen, dachte er.
    Dann sah er den zweiten Maskierten, der die mittlere Galerie betrat und sich unter ihm aufbaute. Schweiß. Überall Schweiß. Der Griff seiner Hände wurde unruhig. Die Muskeln in seinen Armen zogen, als wollte man ihn vierteilen. Seine Augen hatten sich mittlerweile gut an die Finsternis gewöhnt und so erkannte er alle Details des Fußbodens unter sich, als er hinabstarrte. Er spürte, wie eine fremde Kraft die Finger seiner rechten Hand lockerte. Er wagte es nicht, nach oben zu blicken.
    Erst als seine Hand abrutschte und er sich am Geländer abfangen musste, sah er empor. Als er die ausdruckslose Maske seines Mörders anblickte, wurde ihm für einen Moment alles klar. Krähen. Für ihn waren sie immer ein Symbol für intelligente Vögel gewesen.
    Aber Krähen waren Aasfresser. Die sich an einem Tag zusammenrotteten, um Stärke zu zeigen, und am nächsten Tag alleine aufbrachen und ihre Genossen bei der Futtersuche hintergingen. Außergewöhnlich einfallsreiche Lebewesen, die ihren Verstand missbrauchten, Intrigen zu schmieden. Das waren Krähen.
    Die Finger seiner linken Hand wurden ebenfalls vom Geländer gelöst. Als er stürzte, war es, als drehe sich die Welt langsamer als sonst. Während er flog, sah er über sich das Wandgemälde mit all seinen Hunderten Details. Und in der Mitte der Decke die Zeit, dargestellt als alternder Herr mit Flügeln und einer Sense, der die Wahrheit enthüllte.
    Die Wahrheit! War das die Wahrheit? Eine nackte, dralle Schönheit auf einer Wolke?
    Eine große Wucht erschütterte seinen Körper wie einen Hammerschlag und alles wurde schwarz.

Drittes Kapitel
     
    3. März 1765
    Schloss Mannheim
    Frauen. Er konnte nicht ohne sie leben. Mit ihnen konnte er es auch nicht. Wenn er sich in eine verliebte, was war, wenn sie starb? In diesen wirren Zeiten, da so viele Weiber im Kindbett krepierten.
    Carl Theodor verzog sein Gesicht, sodass sich seine Stirn in Falten legte. »Nein. So geht das nicht!«
    Das junge Mädchen kniete auf allen Vieren vor dem Herrscher und betastete seine
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