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Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Titel: Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung
Autoren: Mike Wächter
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lässt!«
    »Eine Fürstenseele, die sich drücken lässt wie Wachs, wenn sie von Hand zu Hand geht!«, schrie nun der dritte.
    »Sollen wir warten, bis er die Pfalz in den Bankrott treibt mit seinen höfischen Bedürfnissen? In den staatlichen Kassen wird das Geld knapp!«
    »Ja, aber«, jetzt stand der Bibliothecarius auf, »deswegen können wir ihn doch nicht ermorden! Was, wenn sich herausstellt, dass Euch die Politik des Nachfolgers genauso wenig gefällt? Wollt Ihr den auch noch aus dem Weg schaffen?«
    »Herzog Christian ist ein ganz und gar rationaler Mensch! Er ist genau der Richtige, um uns den Weg zu ebnen. Wer weiß, vielleicht können wir ihn sogar für unsere Sache begeistern!«
    »Das ist doch Unsinn.« Der Großmeister blieb stehen. Die drei Männer setzten sich wieder. »Wir streben eine radikale Verbesserung des Menschen an. Wir kämpfen für den Menschen, der doch, wie wir erkannt haben, das Maß aller Dinge ist! Wie können wir hingehen und anfangen zu morden wie herkömmliche Kleingeister?«
    Stillschweigen.
    Dann richtete sich der Neuling auf.
    »Manchmal es ist so«, setzte er in gebrochenem Deutsch an, »dass große Tate' erfordern Sachen, die sind außergewöhnlisch!«
    Sieben Köpfe drehten sich zu ihm herum.
    »Ich bin dafür, dass der Kurfürst muss sterben!«
    »Sie sprechen ja doch unsere Sprache!«
    »Ein bisschen.«
    Er beugte sich vor. Die Konturen seiner Maske flackerten im Kerzenlicht.
    »Der Kurfürst ist unser Verderben«, flüsterte er.
    »Habt Ihr den Fürsten in letzter Zeit gesehen?«, erklang eine andere Stimme.
    »Früher stand es schlimm um ihn, nun, seit der Erbprinz gestorben ist, nehmen seine Manien selbstzerstörerische Ausmaße an. Wollt Ihr, dass er uns alle mit in den Abgrund reißt?«
    »Habt Ihr gesehen, mit welchen Mätressen er sich umgibt? Gerade hat er eine Bäckerstochter in seinem Bett. Das ist unglaublich! Und er lässt die Öffentlichkeit an seinem Liebesleben teilhaben, als sei ihm alles egal.«
    »Sein Gerede und Getue von Förderung der Wissenschaften und Künste. Das ist nur ein Haschen nach eigenem Ruhm! Er will sich als der große, schöngeistige Gönner darstellen, der er nicht ist! Das ist Verrat an der Aufklärung!«
    Eine wirre Diskussion brach los. Einer nach dem anderen sprang von seinem Stuhl. Die Männer fielen sich gegenseitig ins Wort, die Gemüter brausten auf. Der Großmeister hielt sich die Ohren zu und dachte nach. Dann stand er auf und hob seine Arme in die Luft.
    »Meine Herren! So kommen Sie doch zur Ruhe!«
    Langsam verstummten die Anwesenden.
    »Sind Sie wirklich allesamt der Meinung, dass wir unseren Grundsatz verleugnen sollen, dass das Leben eines Menschen das wertvollste Gut ist? Und sei es selbst das Leben des Kurfürsten?«
    Der Neuling nickte als Erster. Nacheinander taten es ihm alle anderen Männer gleich.
    »Und sind Sie darüber hinaus der Meinung, wir, die Vereinigung der zwei Krähen, sollte selbst Hand anlegen und das Leben des Regenten auslöschen in der Hoffnung, sein Nachfolger würde eine bessere Politik betreiben?«
    »Oui!«
    »Ja.«
    »Ja!«
    Der Chor der Jasager erschallte, bis alle zugestimmt hatten. Der Großmeister sah schweigend auf die Kerze herab und ließ die Arme heruntersinken.
    »Dann habe ich mich in Ihnen getäuscht. Dann war meine Hoffnung, dass der Mensch aus eigenem Antrieb vollkommene Perfektion erreichen kann, nur die Fantasie eines hoffnungslosen Träumers.«
    Er griff an seinen Hals und zog die Kette mit dem strahlenden Auge über die Kapuze.
    Der Tisch erzitterte, als er sie fallen ließ.
    »Es ist nur eine Ausnahme! Wir müssen ihn beseitigen, um den Weg für eine bessere Zukunft zu bereiten.«
    »Machen Sie, was Sie wollen, meine Herren. Aber unter diesen Umständen muss ich vom Vorsitz meiner eigenen Gesellschaft zurücktreten.«
    »Wie Sie wollen. Wir Sie brauchen nicht!«
    »Aber wir benötigen einen neuen Großmeister!«
    »Richtig!«
    »Nur wer kann diese Aufgabe erfüllen?«
    »Ich würde vorschlagen, dass Sie diese Aufgabe erfüllen, Herr Franzose!«
    »Moi?«
    »Ja, Sie!«
    Ausgerechnet der Aufrührer, dachte der Bibliothecarius und drehte sich weg. Sollten sie bekommen, was sie wollten.
    »Wer ist noch dafür?«
    Allgemeine Begeisterung erfüllte den Raum. Der Bibliothecarius öffnete die Tür und verschwand. Im Herausgehen hörte er, wie man über ihn tuschelte. »Was, wenn er unsere Pläne verrät?«
    Die Tür fiel hinter ihm zu.
    Keine Angst, ich werde Euch nicht ans Messer
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