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Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Titel: Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung
Autoren: Mike Wächter
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Heldenliedern zu handeln, in denen der germanische Gott Odin eine Rolle spielte. Er forschte in der Referenzliteratur nach Odin, konnte aber nur wenige Informationen finden, die aus dem frühen Mittelalter überliefert waren. In der Edda tauchte aber immer wieder das Bild von Odin auf, auf dessen Schultern zwei Krähen sitzen, Hugin und Munin. Gedächtnis und Erinnerung.
    Die beiden flogen jeden Tag über die Erde und berichteten bei ihrer Rückkehr über die Geschehnisse in der Welt.
    Er wurde Tag um Tag vernarrter in die Symbolik des alten germanischen Werks. Unbedingt wollte er der Erste sein, der die Verse komplett ins Deutsche übertrug. Selbst wenn es noch Jahre dauern würde, eine perfekte Übersetzung zu liefern.
    Zur gleichen Zeit breiteten sich die Ideen der Aufklärung wie ein Lauffeuer in Europa aus. So beschloss er eines Tages, nachdem er bei der katholischen Freimaurerloge abgelehnt worden war, seinen eigenen aufklärerischen Diskussionskreis zu gründen. Ursprünglich war der als Debattierrunde für aufgeschlossene Freigeister geplant. Doch mehr und mehr entwickelten sich seine Gedanken. Er beschloss, die Treffen im Sinne eines Geheimbundes zu inszenieren, da Geheimgesellschaften in Mode gekommen waren, und jeder Mann, der etwas auf sich hielt, einer angehören musste. Außerdem ermöglichte ihm der Usus, dass man bei Zusammenkünften Masken tragen musste, seine wahre Identität zu verschweigen. Im Frühjahr dieses Jahres begann er, ausgewählten aufklärerischen Werken in der Bibliothek Zettel mit einem kurzen Gedicht beizufügen. Diese Verse waren in Wirklichkeit ein einfach zu entschlüsselndes Rätsel. Hatte man das Geheimnis gelöst, hielt man die Einladung zu einem heimlichen Treffen vor sich. Diese Methode war gut angekommen. Die Lösung führte nicht direkt zu dem Versammlungsort, sondern zu einem Schneider, der den Interessierten ein Stück Papier mit Ort und Zeit der nächsten Zusammenkunft und eine schwarze Karnevalsmaske in der Form eines Krähenkopfes gab. So hatte der Bibliothecarius seine Bruderschaft getauft – Gesellschaft der zwei Krähen – angelehnt an die beiden weisen Vögel des Odin.
    Nun stand er vor seinen Brüdern und blickte sich in den Reihen um. Dass drei seiner Mitbrüder sich nicht mehr an den Grundsatz hielten, ihre Identität vor den anderen geheim zu halten, und sich regelmäßig ohne Maskerade trafen, wusste er nicht.
    »Hat irgendeiner der Herren Einwände gegen die Aufnahme des Neulings? Nein? Dann kommen wir zu einem weiteren Punkt.«
    Er hielt einen kurzen Moment inne.
    »Es geistert das Gerücht bei Hofe, drei Personen mit sonderbaren schwarzen Masken hätten sich im Park des Schwetzinger Schlosses herumgetrieben. Mein Informant sprach gar von einer Verschwörung, die gegen den Kurfürsten im Gange sein soll, und von einer geplanten Entführung Carl Theodors! Ich bin mir sicher, dass dies Tratsch und Hirngespinste der gelangweilten Hofidioten sind, aber ...«
    »Entschuldigt, mein Meister!«
    Einer der Herren stand auf und verbeugte sich vor ihm.
    »Es gibt eine Sache, die wir Euch heute mitteilen wollten. Es ist tatsächlich so, dass wir ein Attentat auf den Souverän planen, ja, wir haben schon erste Erkundungen unternommen.«
    Schweigen. Der Bibliothecarius ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
    »Aber, meine Herren!«
    »Mit Verlaub, mein Meister, wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dies ist der beste Weg, um Eure Visionen einer besseren Welt voranzutreiben.«
    Der Großmeister setzte kurz an etwas zu sagen, schlug die Handflächen auf die Tischplatte, verstummte dann aber.
    »Wir glauben, dass ein möglicher Nachfolger des Kurfürsten – denn eigene Nachfahren hat er keine, wie wir alle wissen –, dass dieser Nachfolger eine Politik einschlagen würde, die uns viel mehr helfen könnte. Ihr selbst habt zum Ziel erklärt, eine utopische Gesellschaftsordnung zu erreichen. Eine Ordnung, in der es weder Staaten noch Herrscher noch Stände gibt! Eine Ordnung, die darauf beruht, dass der Mensch das Gute in sich entdeckt und dass alle Menschen in Toleranz beisammen leben!«
    Noch immer schwieg der Meister.
    »Denkt doch einmal nach«, ließ sich ein weiterer Maskierter vernehmen. »Carl Theodor ist ein Herrscher, der sich aufgeklärt gibt, um sein eigenes Ansehen zu verbessern! Der Weg zu einer utopischen Welt ist weit. Aber mit Carl Theodor ist er unendlich! Wem nützt ein Kurfürst, der sich von Pfaffen und von Mätressen gleichermaßen gängeln
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