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Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung

Titel: Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
Autoren: Colleen Gleason
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diesem Saal.Von hier aus gelangte man in weitere Räume und zu verschiedenen Galerien über Korridore, die wie Radspeichen um dieses Zentrum angeordnet waren. Rundbogen zierten die Eingänge zu den Korridoren, welche jeweils von zwei weißen, schwarz-grau marmorierten Säulen flankiert wurden.
    Lady Victoria Gardella Grantworth de Lacy, die in ihrer Heimat England außerdem den Titel der Marquise von Rockley trug, stand vor dem Springbrunnen. Zwei kleine Silberkreuze baumelten von ihren Fingerspitzen herab. Der Seidenrock ihres blau-schwarzen Kleides bauschte sich gegen den Tisch hinter ihr, auf dem ein Stück Pergament von einem Tintenfass und einem kleinen Buch daran gehindert wurde, sich zusammenzurollen.
    Sie hatte die Trauer um ihre Großtante Eustacia, die sie erst vor einem Monat auf entsetzliche Weise verloren hatte, noch immer nicht ganz bewältigt, vor allem, da kaum ein Jahr verstrichen war, seit ihr geliebter Ehemann Phillip in einen Vampir verwandelt worden war. Manchmal schien ihr der Gedanke unerträglich, dass sie nun zwei Menschen betrauern musste, die sie zwar nur kurz gekannt, aber dennoch so intensiv geliebt hatte - zwei Menschen, von denen jeder nur immer jeweils eine Seite ihres bilateralen Lebens verstanden hatte.

    »Warum trägst du sie nicht beide?«
    »Ich soll zwei vis bullae tragen?« Victoria beobachtete, wie die Frau neben ihr die Spitze ihres Zeigefingers sachte in das funkelnde Wasser tauchte. »Ist das denn erlaubt?«
    Wayren, eine hochgewachsene, schlanke Frau mit weizenblondem Haar, zog ihren tropfenden Finger wieder aus dem Brunnen. Wie immer, wenn Victoria ihr begegnete, trug sie auch heute ein langes, schlichtes Kleid, das an der Taille locker von einem geflochtenen Ledergürtel gerafft wurde. Der an den Schultern eng sitzende Stoff weitete sich zu langen Schleppenärmeln, die ihr von den Handgelenken fast bis zum Boden reichten. Sie sah aus wie eine mittelalterliche Schlossherrin; aber obwohl ihre Kleidung modisch gesehen Jahrhunderte älter zu sein schien als Victorias mit Volants besetzter, knöchellanger Rock, wirkte Wayren nicht deplatziert.
    » Erlaubt ist eine seltsame Wortwahl für die Illa Gardella«, erwiderte sie sanft lächelnd, bevor sie sich mit der ihr eigenen Anmut und Gelassenheit den lederumwickelten Zopf, der von ihrer Schläfe herabfiel, über die Schulter strich, wo er mit dem Rest ihres langen Haares verschmolz.
    Wayren war kein Venator. Sie war - ja, was? Victoria hatte nie genau erfahren, wer oder was Wayren wirklich war. Sie wusste nur, dass ihre Sammlung alter Bücher und Schriften unendlich zu sein schien und sie diejenige war, an die sich die Venatoren immer dann wandten, wenn sie Rat suchten. »Nach seiner Berufung wird für jeden Venator seine eigene vis bulla geschmiedet. Da sie für jeden individuell angefertigt wird, gibt es nie zwei identische, und so wird sie zu einem intimen Teil ihres Besitzers. Wenn möglich wird ein Venator stets zusammen
mit seiner vis bulla beerdigt, was im Fall deiner Tante natürlich nicht geschehen ist. Ich bin zwar nie einem Vampirjäger begegnet, der zwei getragen hätte, aber vermutlich liegt das daran, dass sich nie einem die Möglichkeit dazu bot. Es ist ja nicht gerade so, als würden irgendwo überzählige herumliegen. Und da du die neue Illa Gardella bist, gibt es sowieso niemanden, der es dir verbieten könnte.«
    »Ich kann noch immer kaum glauben, dass weniger als zwei Jahre, nachdem ich diese Träume hatte, durch die ich zum Venator berufen wurde, ich nun diejenige sein soll, der alle folgen. Selbst Venatoren, die schon viel länger Vampire jagen als ich.« Victorias Tante war bei ihrem Tod einundachtzig und damit einer der am längsten lebenden Venatoren aller Zeiten gewesen. Als der einzige andere direkte Abkömmling des ersten Gardellas hatte Victoria sowohl den Titel als auch die Verantwortung der Illa Gardella geerbt. Sie war nun das Oberhaupt der Venatoren.
    »Du magst zwar jünger sein - tatsächlich bist du sogar die Jüngste unter ihnen -, aber dennoch hast du dir diese Würde mehr als verdient«, erklärte Wayren, noch immer lächelnd. »Was du in den letzten achtzehn Monaten vollbracht hast, wäre selbst für deine Tante in ihren besten Zeiten eine Herausforderung gewesen.«
    Victoria wandte den Blick von Wayrens ruhigen Augen ab und richtete ihn auf das herabströmende, schimmernde Weihwasser. Es wäre ihr ohne Max’ Hilfe weder gelungen, Lilith letztes Jahr aus London zu vertreiben, noch
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