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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten
Autoren: Jonathan Kellerman
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Gratis-Blowjob, und er kneift. Steht eben nicht auf Weiber. Abartig.
    Mit seinen Prüfungsergebnissen, seinen Aufklärungsraten und seiner schieren Hartnäckigkeit schaffte er es, in die Mordkommission der Central Division versetzt zu werden, wo er einem spindeldürren achtundvierzigjährigen Detective II namens Pierce Schwinn als Partner zugewiesen wurde, der aussah wie sechzig und sich für einen Philosophen hielt. Er und Schwinn arbeiteten meistens nachts, denn Schwinn blühte im Dunkeln auf: Von zu hellem Licht bekam der Typ Migräne, und er litt unter chronischer Schlaflosigkeit. Das war auch nicht weiter verwunderlich, denn schließlich warf er für seine permanent verstopfte Nase ständig Medikamente ein wie andere Leute Süßigkeiten, und im Lauf einer Schicht kippte er ein Dutzend Tassen Kaffee.
    Schwinn liebte es, in der Gegend herumzufahren, und verbrachte sehr wenig Zeit an seinem Schreibtisch, was für Milo eine willkommene Abwechslung von der Routine im Betrugsdezernat war, wo ihm regelmäßig der Hintern eingeschlafen war. Der Haken an der Sache war, dass Schwinn absolut keinen Nerv für Büroarbeit hatte und es kaum erwarten konnte, sämtlichen Papierkram auf seinen neuen Juniorpartner abzuwälzen.
    Milo verbrachte Stunden mit beschissener Sekretariatsarbeit, dachte aber, es sei das Beste, den Mund zu halten und zuzuhören; schließlich war Schwinn schon länger dabei, da konnte er doch sicher etwas lernen. Unterwegs im Wagen war Schwinn abwechselnd wortkarg und geschwätzig. Wenn er redete, war er immer total aufgedreht und hatte diesen belehrenden Ton drauf, immer darauf aus, irgendetwas zu beweisen. Der Kerl erinnerte ihn an einen seiner Professoren in Indiana. Herbert Milrad, Sohn reicher Eltern, Byron-Spezialist. Redete wie ein Wasserfall, fett und birnenförmig von Gestalt, neigte zu heftigen Stimmungsumschwüngen. Nach der Hälfte des ersten Semesters hatte Milrad Milos Veranlagung erkannt und versucht, sein Wissen auszunutzen. Milo, der sich damals über seine eigene Sexualität noch längst nicht im Klaren gewesen war, hatte taktvoll abgelehnt. Im Übrigen fand er Milrad körperlich abstoßend.
    Keine angenehme Szene, die große Zurückweisung, und Milo wusste genau, dass Milrad ihn das würde spüren lassen. Seine akademische Karriere war im Eimer, den Gedanken ans Promovieren konnte er getrost vergessen. Er schrieb die verdammte Magisterarbeit fertig, indem er die Verse des armen Walt Whitman zu Tode analysierte, und bekam seinen Abschluss mit Hängen und Würgen. Da ihn der ganze Mist, der dort als Literaturwissenschaft verkauft wurde, ohnehin tödlich langweilte, kehrte er der Uni den Rücken, büßte damit seinen Anspruch auf Zurückstellung ein, meldete sich auf eine Stellenanzeige und nahm einen Job als Hilfsranger im Muscatatuck-Naturreservat an, wo er die Einberufung abwartete. Fünf Wochen später kam der Brief.
    Am Ende dieses Jahres watete er bereits als Sanitäter durch Reisfelder, hielt die Köpfe junger Burschen und sah zu, wie kaum geformte Seelen ihre Körper verließen, hielt dampfende Gedärme in den Händen, die Eingeweide waren die eigentliche Herausforderung, sie glitten ihm durch die Finger wie rohe Würste. Blut, das sich braun färbte, wenn es im schlammigen Wasser verwirbelte.
    Er kehrte lebend zurück, fand seine Eltern und Brüder und überhaupt das ganze Zivilleben unerträglich, trieb sich eine Zeit lang in San Francisco herum und lernte dabei das eine oder andere über seine Sexualität. Fand San Francisco beengend und krampfhaft hip, kaufte sich einen alten Fiat und fuhr die Küste entlang nach Süden, nach L. A., wo er blieb, weil er den Smog und die Hässlichkeit irgendwie als beruhigend empfand. Eine Weile schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, bevor er auf die Idee kam, dass Polizeiarbeit doch ganz interessant sein könnte. Warum eigentlich nicht?
    Und da war er nun, drei Jahre später. Der Ruf kam um sieben Uhr abends, als er mit Schwinn in dem zivilen Einsatzwagen auf dem Parkplatz einer Tacobude in der Temple Street saß und Burritos mit grünem Chili verzehrte. Schwinn war in einer seiner schweigsamen Stimmungen; seine Augen flackerten nervös hin und her, während er sich ohne äußere Anzeichen von Genuss sein Essen in den Mund stopfte.
    Als das Funkgerät losquäkte, nahm Milo den Hörer, notierte die Adresse und sagte: »Schätze, wir sollten losdüsen.«
    »Essen wir erst mal in Ruhe zu Ende«, meinte Schwinn. »Von der Hektik wird auch keiner
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