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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten
Autoren: Jonathan Kellerman
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wurde, während sie sich in aller Ruhe überlegten, was sie mit ihm anstellen sollten.
    Und jetzt Nummer acht. Schwinn mampfte weiter seinen Burrito. Schließlich wischte er sich den Mund ab. »Beaudry, an der Auffahrt zum Freeway, wie? Willst du fahren?« Er war schon ausgestiegen, um auf die andere Seite zu gehen, noch bevor Milo überhaupt antworten konnte.
    Milo sagte: »Von mir aus«, nur um seine eigene Stimme zu hören.
    Auch wenn er nicht selbst am Steuer saß, zog Schwinn vor dem Losfahren sein immer gleiches nervöses Ritual durch. Fuhr den Sitz geräuschvoll zurück, rückte ihn dann wieder in die ursprüngliche Position vor. Überprüfte seinen Krawattenknoten im Rückspiegel, fingerte an den Winkeln seines dünnlippigen Mundes herum, damit nur ja kein Fleckchen von seinem kirschroten Hustensaft daran hängen blieb.
    Achtundvierzig Jahre alt, aber sein Haar war schlohweiß und schütter, nach oben immer dünner werdend, bis nur noch Kopfhaut zu sehen war. Einsfünfundsiebzig, und Milo schätzte ihn auf höchstens fünfundsechzig Kilo, das meiste davon Knorpel. Zwischen seinen hohlen Wangen zog sich dieser dürftige kleine Schlitz von einem Mund hin; tiefe Furchen zeichneten sein grobknochiges Gesicht, und unter seinen intelligenten, misstrauischen Augen hingen schwere Tränensäcke. Alles zusammen roch zehn Meter gegen den Wind nach der Dust Bowl, dem staubtrockenen Farmland von Oklahoma und tatsächlich stammte Schwinn aus Tulsa, hatte sich wenige Minuten, nachdem ihm Milo vorgestellt worden war, selbst als Ultra-Okie bezeichnet.
    Dann hatte er eine Pause gemacht und dem jungen Detective in die Augen geschaut. Hatte erwartet, dass Milo selbst etwas über seine Herkunft sagte.
    Wie war's mit »Irischafrikanische Schwuchtel aus Indiana«? Milo sagte: »Wie in dem Buch von Steinbeck.«
    »Klar«, erwiderte Schwinn. Er klang enttäuscht. »Die Früchte des Zorns. Mal gelesen?«
    »Sicher.«
    »Ich nicht.« Herausfordernder Ton. »Wozu denn auch, Mann? Alles, was da drin steht, kenne ich schon aus den Erzählungen von meinem Daddy.« Schwinns Mund verformte sich zu einem müden Abklatsch eines Lächelns. »Ich hasse Bücher. Und das Fernsehen und das bescheuerte Radio hasse ich auch.« Wieder eine Pause, wie ein hingeworfener Fehdehandschuh.
    Milo schwieg.
    Schwinn runzelte die Stirn. »Sport hasse ich auch, was soll denn der ganze Scheiß?«
    »Ja, man kann's auch übertreiben.«
    »Du hast doch die Figur. Hast du auf dem College Sport gemacht?«
    »Football auf der Highschool«, antwortete Milo.
    »Nicht gut genug fürs College?«
    »Nicht annähernd.«
    »Liest wohl viel?«
    »Ein bisschen«, sagte Milo. Wieso klang das wie ein Geständnis?
    »Ich auch.« Schwinn presste die Handflächen gegeneinander. Richtete diese anklagenden Augen auf Milo. Ließ Milo keine Wahl.
    »Du hasst Bücher, liest aber trotzdem.«
    »Zeitschriften«, verkündete Schwinn triumphierend.
    »Zeitschriften kommen einfach schneller zur Sache, nimm zum Beispiel Reader's Digest , sammelt den ganzen Kram und stutzt ihn so zurecht, dass man durch ist, bevor man sich wieder rasieren muss. Und was mir noch gefällt, ist der Smithsonian.« Das war allerdings eine Überraschung.
    »Smithsonian?«, wiederholte Milo.
    »Nie gehört?«, fragte Schwinn, als sei es ein pikantes Geheimnis, das er verriet. »Das Museum drüben in Washington, die geben 'ne eigene Zeitschrift raus. Meine Frau hat sie einfach abonniert, und ich wollte ihr schon einen Tritt in den Hintern geben, hat uns gerade noch gefehlt, dass noch mehr Papier im Haus rumfliegt. Aber es ist gar nicht so übel. Da steht alles Mögliche drin. Ich komme mir richtig gebildet vor, wenn ich drin gelesen hab, verstehst du?«
    »Klar.«
    »Und du«, sagte Schwinn, »du bist ja auch gebildet, wie ich höre.« Bei ihm klang das wie ein Schwerverbrechen. »Hast sogar 'nen Magisterabschluss, stimmt's?«
    Milo nickte.
    »Wo gemacht?«
    »An der Indiana U. Aber ein Studium ist nicht gleichbedeutend mit Bildung.«
    »Klar, aber manchmal schon, was hast du denn an der Indiana Juuu studiert?«
    »Englisch.«
    Schwinn lachte. »Gott liebt mich, schickt mir einen Partner, der richtig schreiben kann. Also, was mich betrifft, könnten sie alle Bücher verbrennen, solange ich nur meine Zeitschriften habe. Manchmal schau ich mir Medizinbücher an, wenn ich im Leichenschauhaus bin, Rechtsmedizin, abnorme Psychologie, sogar Anthropologie, weil die immer mehr dahinter kommen, was man mit Knochen alles
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