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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden
Autoren: Axel S. Meyer
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dagegen tun, und Allisa hätte bestimmt nicht gewollt, dass die Normannen dich ebenfalls töten. Aber das Wichtigste ist, dass du entkommen bist.» Sie schaute ihrem Sohn tief in die Augen. «Du bist mir das Wertvollste, das   …»
    In dem Moment hämmerte jemand von außen gegen die Tür. Alexandra lief zu einem der Fenster und öffnete den Laden einen Spalt.
    «Allmächtiger», entfuhr es ihr.
    Als Odo ihr folgen wollte, drehte sie sich zu ihm um und drängte ihn ohne Erklärung in eine Ecke. Dort stand ein Eichenschrank, in dem Wäsche und Haushaltsgeräte aufbewahrt wurden.
    «Schnell! Hilf mir, ihn wegzuschieben», forderte sie Odo auf.
    Er stellte sich neben sie, damit sie gemeinsam das schwere Möbelstück zur Seite rücken konnten. Sie hattenes kaum eine Handbreit von der Stelle bewegt, als es abermals gegen die Tür hämmerte.
    Dann rief jemand: «Aufmachen!» Es war die Stimme eines der Gardesoldaten. «Öffnet die Tür, Herrin.»
    «Weiter, weiter», zischte Alexandra Odo zu. Schweiß trat ihr vor Anstrengung auf die Stirn.
    Stück für Stück bewegte sich der Schrank. Plötzlich erkannte der Junge eine kleine Öffnung in der Wand, die hinter dem Schrank verborgen war und die er nie zuvor gesehen hatte.
    Der Soldat rief immer ungeduldiger: «Herrin! Herrin, aufmachen!»
    Endlich hatten sie die in das Mauerwerk eingelassene Öffnung freigelegt. Alexandra beugte sich zu ihrem Sohn hinunter und küsste ihn auf die Stirn.
    Sie flüsterte: «Wir holen dich wieder raus, wenn alles vorüber ist.»
    Odo kniete nieder und kroch in das dunkle Loch. Es war nur wenige Fuß tief, und er musste sich mit angezogenen Beinen hineinquetschen. Als er vollständig in dem Loch verschwunden war, begann Alexandra sofort damit, den Schrank wieder an seine alte Stelle zu schieben. Odo hörte sie stöhnen. Es war ihm ein Rätsel, woher sie die Kraft nahm.
    Im Hintergrund war noch immer die Stimme des Soldaten zu vernehmen, der nun mit einem harten Gegenstand auf die Tür einschlug, vermutlich mit dem Griff seines Schwerts.
    «Warte! Ich komme», rief Alexandra, woraufhin der Soldat endlich verstummte.
    Vor Odos Augen verschloss sich allmählich die Öffnung. Da entdeckte er einen kleinen glänzenden Gegenstand,der vor dem Loch auf dem Boden lag. Odo streckte seine Hand danach aus. Es war Alexandras silbernes Kreuz.
    Sie hatte ihren Glücksbringer verloren.
    Der Junge hörte sie ein letztes Mal keuchen. Dann erstarb das kratzende Geräusch, das der über den Boden rutschende Schrank verursachte. Es wurde stockfinster.
    Ihm war hundeelend zumute. Er begann zu bibbern. Warum hatte seine Mutter ihn in dieses schreckliche Loch gesteckt?
    Er konnte hören, wie die Haustür entriegelt wurde, und vor seinen Augen wurde plötzlich ein Lichtstreifen sichtbar. Odo beugte sich vor – und tatsächlich: Er konnte das vor ihm liegende Wohnzimmer überblicken, das nun, da die Haustür weit offen stand, vom Tageslicht durchflutet wurde. Der Schrank war nicht ganz an seine alte Stelle zurückgeschoben worden. Zwischen dem Möbelstück und dem Rand der Öffnung war ein schmaler Spalt frei geblieben.
    Durch diesen Spalt spähte Odo. Er sah Alexandra. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt, das Gesicht auf die Haustür gerichtet, in der einer der Wachposten stand. Er war verletzt, blutete aus einer Wunde an der Schläfe, bemühte sich aber, Haltung zu bewahren.
    Dann sah Odo seinen Vater. Siegfried humpelte herein, ohne sein Schwert. Seine Kleidung war zerrissen, er hatte einen Schuh verloren. Alexandra wollte sich auf ihn stürzen. Doch er wies sie mit einer energischen Handbewegung zurück.
    Und dann fiel ein Schatten in den Raum. Odo unterdrückte mit Mühe einen Schrei des Entsetzens, als eine riesenhafte Gestalt den Raum betrat.
    Der Verderber!

5.
    Sie belauerten sich, schweigend, abwartend.
    Siegfried saß auf der einen Seite des Tisches, der Krieger auf der anderen. Zwei Männer, deren Gesichtszüge aussahen wie aus Stein gemeißelt. Zwischen ihnen lag das gewaltige Schwert des Normannen, die Spitze zeigte auf Siegfried.
    Auch wenn der Graf dem durchdringenden Blick des Normannenhäuptlings standhielt, so waren die Rollen doch eindeutig verteilt. Die Normannen hatten die Schlacht gewonnen, viele Bewohner und Soldaten getötet und zahlreiche Häuser in Brand gesteckt. Die städtische Streitmacht hatte verloren, und die Barbaren konnten nun in Paris schalten und walten, wie es ihnen beliebte.
    Siegfrieds Verhandlungsspielraum war verschwindend
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