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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand
Autoren: Andrea Schacht
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ihrer Stieftochter überlassen hatte, und strich bewundernd über das feine Wolltuch. Auch eine fein gefältelte, schneeweiße Kotte hatte sie mitgebracht, ein Haarnetz aus blauer Seide und passende Lederschuhe.
    »Ich helfe dir«, bot sie dann an, und Almut schlüpfte in das Unterkleid. Die Meisterin und Clara halfen ihr, das Gewand über den Kopf zu ziehen und es mit den Schnürungen ihrer Figur anzupassen.
    »Du siehst vornehm darin aus, Almut«, stellte die Meisterin fest.
    »Ja, es ist ein hübsches Kleid.«
    Clara hob die zerfetzte Beginentracht auf und nickte.
    »Den grauen Kittel hast du wohl heute zum letzten Mal getragen?«
    Einen langen Augenblick schaute Almut das ihr seit über vier Jahren vertraute Gewand an. Dann straffte sie die Schultern.
    »Ja, ich habe diese Hülle nun abgelegt. Aber ich habe das schlichte Grau immer gerne getragen, und ich hoffe, mit Anstand.«
    »Das tatest du, Almut. Und nun bist du endgültig in das weltliche Leben zurückgekehrt. Ich kann nicht sagen, dass ich ganz glücklich darüber bin. Aber ich glaube, dass es für dich die richtige Entscheidung ist. Er wird dir ein guter Mann sein.«
    »Ja, Magda. Das wird er.«
    »Rote Rosen auf deinen Wangen? So, so. Er war dir also schon ein guter Mann?«
    »Ja. Ja, Magda, ein viel besserer, als ich auch nur ahnen konnte.«
    »Dann ist es an der Zeit, dass Euer Bund gesegnet wird.«
    Almut sah versonnen an der Meisterin vorbei und griff nach der Perle an ihrem Hals. Vielleicht war er es schon. Aber das mochte sie nicht laut aussprechen.

52. Kapitel
    Am nächsten Tag suchte Almut ihre Eltern auf, sie wollte die Pfingsttage bei ihnen verbringen. Auch Aziza hatte sich damit abgefunden, zunächst im Haus des Baumeisters zu wohnen. Als sie die gute Stube betrat, bot sich Almut ein friedliches Bild. Ihre Stiefmutter nähte, neben ihr saß Aziza am Spinnrad. Der große schwarze Kater lag vor dem kalten Kamin und träumte von der Mäusejagd, und Meister Conrad sah einige Listen durch. Almut wurde herzlich begrüßt. Sie fand, dass ihre Schwester sich recht gut erholt hatte. Die Brandblasen auf ihrer Wange und am Hals heilten allmählich ab, ihre Haare hatte Frau Barbara selbst so geschnitten, dass sie wie ein Lockenkranz um ihr Gesicht standen, das einfache, dunkelrote Kleid stand ihr gut zu Gesicht, und mit flinken Fingern ließ sie die Spindel tanzen.
    »Unser Herr Vater hat mir angeboten, sich darum zu kümmern, dass mein Häuschen wieder aufgebaut wird«, erklärte sie. »Es ist nur der Dachstuhl wirklich zerstört.«
    »Alles andere wird sich auch finden.«
    »Möglich.«
    Almut setzte sich auf die Bank neben ihre Stiefmutter und fädelte einen Faden in die Nadel, um ihr zu helfen, das weite Leinenhemd zu säumen. Sie erzählte von der Einweihung der Kapelle, lauschte Frau Barbaras Berichten über Peters und Mechthilds Fortschritten in ihren Lektionen und Meister Conrads Lobpreisungen eines gutbeleumundeten Parlers, der vor zwei Jahren seine Frau verloren hatte. Es war deutlich zu erkennen, dass er ihn als einen geeigneten Heiratskandidaten für seine Tochter ins Auge gefasst hatte. Als sie nur mit einigen unverbindlichen Lauten darauf reagierte, zuckte er mit den Schultern und sprach von seinen Aufgaben als Zunftmeister, zu dem man ihn kürzlich ernannt hatte, und von seinen Hoffnungen, in den weiten Rat aufgenommen zu werden. Almut hörte schweigend zu. Sie wusste, dass dieser Ehrgeiz ihren Vater schon lange antrieb. Aber wie so vieles verlangte die höhere Auszeichnung nicht nur Fleiß, zuverlässige Arbeitsqualität, ordentliches Material und anständige Gesellen, sondern auch gute Beziehungen. Die versuchte der Baumeister zu bekommen, indem er seine Dienste den Patriziern der Stadt unablässig anbot, um damit in den Kreis ihrer Aufmerksamkeit zu geraten. Es gelang ihm nicht sehr oft, und Frau Barbara hatte Almut vor einiger Zeit anvertraut, dass sie diese unterwürfigen Anbiederungen mit gesundem Misstrauen betrachtete. Ihr Mann neigte dazu, den hohen Herren viel zu vollmundige Versprechungen zu machen und dabei nicht auf die Kosten zu achten. Immer wieder musste sie ihn, auf ihre eigene geschickte Art, erkennen lassen, dass er zu niedrige Preise angesetzt hatte, zu denen er die Aufträge gar nicht hätte durchführen können. Aber heimlich träumte er weiter davon.
    Während er sich über erhoffte Einflussnahme der Zünfte und Gilden auf die Stadtpolitik ausließ, lächelte Almut in sich hinein. Einmal zwinkerte Aziza ihr zu, aber
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