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Das Blutgericht

Das Blutgericht

Titel: Das Blutgericht
Autoren: Matt Hilton
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zusammen bei den Special Forces waren, hatten wir den gleichen Rang. Zwar war Rink – zumindest dem Schild an seiner Tür nach – der Leiter der Detektei, aber wir waren immer noch gleichberechtigt. Deshalb war es auch nicht nötig, eine große Vorstandsversammlung einzuberufen, um zu entscheiden, wie wir mit der Marianne-Dean-Situation umgehen sollten. Ich drückte ein paar Tasten auf meinem Mobiltelefon.
    »Mr. Dean. Sie sind immer noch wach. Das ist gut.« Ich blickte auf das Porträt seiner Tochter. Selbst auf dem überblitzten Foto stand ihr die Furcht nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben. »Wenn Sie mich immer noch wollen, werde ich den Auftrag übernehmen.«
    Ganz egal, wie seine Antwort ausgefallen wäre, ich hätte den Job so oder so übernommen.

3
    Sobald jemand New Orleans erwähnt, stellen sich ganz bestimmte Bilder ein. Der weltberühmte Mardi Gras Carnival. Jazzmusiker. Raddampfer, die den mächtigen Mississippi durchpflügen. Und dann gibt es die Bilder, die die Leute aus ihrem Gedächtnis löschen wollen. Hurrikan Katrina. Überflutung und Zerstörung. Die Toten und die Vertriebenen. Tausende von Familien, die alles verloren haben, als die Natur ihre aufgestaute Wut an ihnen entlud, und die immer noch in Übergangsbehausungen leben.
    New Orleans ist eine hochpotente Mischung aus Spektakel und Zerstörung. Magie und Chaos. Wunder und Verzweiflung.
    Es würde einem schwerfallen, sich ein menschliches Äquivalent dieser Stadt auszudenken, ein Gesicht, das sie repräsentierte. Und schon gar nicht würde einem das Gesicht von Dantalion dazu einfallen. Aber seiner eigenen Einschätzung nach war er es, der das Wesen dieser widersprüchlichen Stadt voller Verzauberung und Leid verkörperte.
    Rein äußerlich – und dem stimmte er durchaus zu – gab er kein besonders gutes Bild ab. Manche würden sogar sagen, dass seine ungesunde Gesichtsfarbe und sein ausgemergelter Körper von Krankheit und Verfall zeugten. Anfangs gingen ihm die Leute aus dem Weg, aber irgendwann kamen sie zu ihm, wenn er es wünschte. Sie unterwarfen sich seinem Willen und taten, was er von ihnen verlangte. Er hatte diese Macht über sie. Das war seine Gabe.
    Diese Gabe hatte ihn zum Meister seines Fachs gemacht.
    Deshalb war er so begehrt, wenn gewisse Leute das Bedürfnis hatten, andere Leute tot zu sehen.
    Und heute hatte er ein Treffen mit gewissen Leuten.
    Nicht in seiner Geburtsstadt New Orleans, sondern viel weiter im Osten, in Miami. Es hatte sich bei gewissen Leuten herumgesprochen, dass er in der Stadt und verfügbar war. Er hatte eine verschlüsselte Botschaft auf seinem Blackberry erhalten, in der um ein Treffen gebeten wurde. Deshalb saß er jetzt auf einer Bank im Bayside Park und blickte auf die Biscayne Bay. Ganz in der Nähe wälzte sich auf den MacArthur und Venetian Causeways der Verkehr über das urlaubsprospektblaue Wasser hinweg zur Insel, wo das weltberühmte Miami Beach lag. Den Mildred and Claude Pepper Fountain konnte er gerade noch so durch die Bäume sehen, und zu seiner Linken konnte er die Miami Queen an ihrem dauerhaften Ankerplatz ausmachen, angeblich eine der unvergesslichen Attraktionen Miamis. Dodge Island lag geduckt im Wasser. Bleich im Kontrast zum türkisen Meer, wirkte die Insel wie ein großer weißer Wal, gestrandet in einer flachen Bucht. Die Industriegebäude und Lagerhäuser waren die Seepocken auf seinem Rücken.
    Er war nicht hier, um die Sehenswürdigkeiten zu begutachten. Er war kein Tourist. Aber so musste er jedem vorkommen, der zufällig vorbeispazierte. Seine blasse Haut vertrug offensichtlich nicht viel Sonne, deshalb konnte man ihm den breitkrempigen Hut und die dunkle Brille nachsehen. Sein bauschiger weißer Mantel, der an die Kluft eines mittelalterlichen Mönchs erinnerte, mochte auf den ersten Blick etwas seltsam wirken – aber nicht, wenn man ihn mit den Verkleidungen der übrigen Touristen verglich.
    Hinter der Sonnenbrille verbargen sich seine aufmerksamen blassblauen Augen. Das helle Licht hier am Meer bereitete ihm Schmerzen, aber er musste die Augen offen halten. Manchmal wünschten sich gewisse Leute, dass auch er tot wäre.
    Eine Gruppe von drei Männern kam vom Einkaufszentrum neben La Marina de Miami in seine Richtung. Ein dunkelhaariger, dauergebräunter Mann im cremefarbenen Leinenanzug entfernte sich von den anderen beiden und steuerte direkt auf Dantalion zu. Diese zwei, an deren ausgebeulten Jacketts unschwer zu erkennen war, was sie darunter trugen, taten
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