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Das Blutgericht

Das Blutgericht

Titel: Das Blutgericht
Autoren: Matt Hilton
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holen.«
    »Ich will kein Geld«, sagte die Stimme, »genauso wenig wie ich Sex von Ihnen will.«
    »Was dann? Was wollen Sie von mir?«
    »Das habe ich doch bereits gesagt. Ich will Sie vor die Wahl stellen.«
    Ein metallisches Geräusch über ihr. Eine Glühbirne, die in die Fassung geschraubt wurde. Das Zimmer wurde in gedämpftes Licht getaucht.
    Jetzt konnte Caitlin die Person sehen. Sie wusste jetzt, dass sich ihre Lebenserwartung in Sekunden bemaß.
    Er war groß. Schlank, fast schon ausgezehrt. Sein Gesicht war zu bleich, eine Wachsmaske, die Caitlin an eine Reflexion in einem beschlagenen Spiegel denken ließ. Sein seidig-feines Haar war so bleich wie seine Haut und hing unter der breiten runden Krempe seines Huts hervor bis auf die Schultern. Sein Mantel war schäbig: ein langer Regenmantel, der ihm bis zu den Knöcheln reichte und dem bis auf den obersten alle Knöpfe fehlten. Eine dünne silberne Kette zog sich von der einen Mantelhälfte zur anderen, wo etwas seine Tasche ausbeulte. An seinen Füßen trug er verdreckte Segelschuhe, die dort, wo seine überlangen Zehennägel gegen das Obermaterial drückten, schon ganz rissig geworden waren.
    Das Aussehen des Fremden sprach Bände: von Nächten unter Pappbehausungen, vom Trinken aus Flaschen, die in braunen Papiertüten verborgen waren, vom Hadern mit vom Alkohol heraufbeschworenen Phantomen.
    Aber Caitlin wusste, dass sie es hier nicht mit einem Obdachlosen von der Straße zu tun hatte, der sich Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft hatte. Das war der Typ Mensch, von dem sich selbst die abgebrühtesten Straßentypen fernhielten.
    Zwei Dinge verrieten es ihr.
    Erstens die Pistole mit dem Schalldämpfer, die er locker in der Hand hielt.
    Und zweitens der Killerblick in seinen Augen.
    »Ich werde Ihnen die Wahl geben«, bot der Mann erneut an. »Wen werden Sie retten, Caitlin? Nate oder Cassandra?«
    Caitlin folgte seinem Blick. Auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers standen zwei Holzstühle, die aus der Küche herbeigezerrt worden waren. Auf den Stühlen saßen die beiden Personen, die sie am meisten liebte auf der ganzen Welt.
    Caitlin krächzte. Sie wusste nicht, welchen der beiden Namen sie zuerst rufen sollte. Nate war gefesselt und geknebelt. Mit aufgerissenen Augen bäumte er sich gegen seine Fesseln auf. Im Gegensatz zu ihm wirkte Cassandra regungslos, ihre Gesichtszüge entspannt.
    Ein Aufschrei bahnte sich seinen Weg durch ihre Kehle.
    »Treffen Sie Ihre Wahl, Caitlin«, flüsterte der Mann.
    Wie konnte sie? Wie konnte sie? Wie …
    »Cassandra habe ich betäubt«, sagte der Fremde. »Wenn Sie sich für Nathaniel entscheiden, wird sie es nie erfahren. Soll ich sie töten, Caitlin?«
    Nates Adern standen an seinen Schläfen hervor wie blaue Seile. Er schüttelte den Kopf. Caitlin suchte seinen Blick, er sank in den Stuhl zurück.
    »Bitte«, sagte Caitlin. »Tun Sie unserer Tochter nichts an.«
    Der Fremde nickte. Dann schoss er Nate in die Stirn.
    »Sie haben die richtige Wahl getroffen. Ihr Kind ist nun in Sicherheit, Caitlin. Sie können sich wieder entspannen.«
    Dann hielt der Fremde Caitlin die Pistole vors Gesicht.

1
    Manchmal trifft man übereilte Entscheidungen, die man sofort bereut. Ein anderes Mal geht es nur darum, die Konsequenzen zu tragen und alles auf sich zukommen zu lassen. Wie zum Beispiel, als ich ins Shuggie’s ging und mich auf einem Barhocker am verzogenen fleckigen Tresen niederließ.
    Shuggie’s Shack ist die Art von Ort, an den keiner mit einem letzten Funken Selbstrespekt einen Fuß setzt, sofern man ihn nicht an den Haaren hineinzerrt. Die Tische bestehen aus Holzbrettern, die man auf Fässer genagelt hat, die Stühle haben Siebziger-Jahre-Retro-Plastikbezüge, die schon neu altmodisch waren. Die Atmosphäre ist geprägt von Bierfahnen, Zigarettenrauch und dem Gestank ungewaschener Körper. Tätowierungen scheinen hier der letzte Schrei zu sein. Muskeln und lange Haare ebenso. Und wir reden hier nur von den Frauen.
    Man würgt sein fetttriefendes, von beiden Seiten angebratenes Irgendwas herunter und ist ansonsten dem Personal dankbar, wenn man mit intaktem Gesicht wieder aus dem Laden herauskommt.
    In der Zeit, die es mich kostete, mit dem Barkeeper Blickkontakt aufzunehmen und ihn mit einem Nicken zu mir zu bestellen, hatten mich sämtliche Männer, Frauen und Tiere in dem Laden als Cop ausgemacht. Da lagen sie zwar falsch, aber ich hatte nichts dagegen, dass sie sich ein paar Gedanken machten.
    »Bier«,
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