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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions
Autoren: Massimo Marcotullio
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nichts, achtet nicht darauf«, erwiderte der Geistliche. Doch sein Gesicht war blass und eingefallen und seine Stimme nur noch ein Flüstern.
    »Wir müssen die Wunde sofort fest verbinden. In solchen Fällen ist der Blutverlust das Gefährlichste. Lasst mich nur machen, ich verstehe mich ein wenig auf solche Dinge.«
    Der Maler knotete seinen Umhang auf und ließ ihn zu Boden gleiten, dann zog er seinen Überrock und das Leinenhemd aus, das er entlang des Fadenverlaufs zu Verbandsstreifen zerriss.
    »Zieht Euren Rock aus, Monsignore. Ich werde Euch einen Notverband anlegen, um die Blutung zu stillen, bis wir einen Chirurgen finden.«
    »Seht, Messer Sacchi«, sagte de Simara, während der Maler sich an seinem Arm zu schaffen machte. »Der grausamste Meuchelmörder Europas, die lebende Legende, der Skorpion. Was ist von ihm übrig geblieben?«
    Fulminacci band die improvisierte Kompresse fest und drehte sich zu der Leiche im Gras um.
    Der Mann, vor dem die Mächtigen der Erde gezittert hatten, dessen Name genügte, um den Menschen nackte Angst einzujagen, der erbarmungslose Henker, der unfehlbare Auftragsmörder war zu einem Häuflein Nichts geworden.
    Mit dem Leben hatte der Skorpion auch seine mythische Aura eingebüßt, sein düsteres Charisma, seine diabolische Anziehungskraft, und übrig blieb nur noch das, was er war: ein klapperdürrer Greis mit zahnlosem Mund und wässrigen Augen, die ins Leere blickten.
    »Sic transit gloria mundi« , verkündete de Simara. »Gott möge seiner Seele gnädig sein, obwohl er in diesem Fall wohl seine ganze unendliche Barmherzigkeit aufbieten muss, um ihm zu vergeben.«
    »Offen gestanden, mir ist er tot lieber«, bemerkte Fulminacci. »Als Lebender ist er mir einmal zu oft über den Weg gelaufen. Ich danke Euch, dass Ihr mir rechtzeitig zu Hilfe gekommen seid, Monsignore. Ihr habt mir das Leben gerettet.« Der Bischof schüttelte den Kopf. »Macht Euch nicht zu viele Gedanken über solche Dinge, Messer Sacchi. Wir alle haben Gott unser Leben zu verdanken, auch die Sünder. Auch der Skorpion.«
    »Wollt Ihr sein Schwert?«
    »Nein, behaltet Ihr es. Ich werde es wohl nicht mehr brauchen, hoffe ich. Was den Bernstein betrifft, so werde ich ihn Pater Kircher schenken. In seiner Sammlung wird er sich prächtig ausnehmen.«
    Der Maler hob das Schwert des Skorpions auf, wischte die Klinge am Umhang des Toten ab und schob es in die Scheide. Es war erstaunlich leicht, strahlte aber immer noch etwas Bedrohliches aus, das Respekt einflößte.
    »Wir sollten jetzt besser zurückkehren, Monsignore. Meint Ihr, Ihr könnt gehen?«
    »Ich denke schon, wenn mir auch ein wenig Hilfe nicht unwillkommen wäre. Wohlan, gehen wir.«
    Sie legten den Weg zum Palast mit qualvoller Langsamkeit zurück. Obwohl de Simara von Fulminacci gestützt wurde, musste er oft anhalten, da ihn die tiefe Verletzung schwächte. Trotz des festen Verbands sickerte das Blut schon durch den Stoff und rann ihm über den rechten Arm.
    Die Gäste waren nach den zahlreichen Amüsements im Freien hineingegangen, wo in dem riesigen Festsaal das Bankett stattfand. Nur eine kleine Schar von Mägden, Dienern und Knechten eilte auf dem Rasen hin und her und räumte auf, machte sauber, deckte Tische ab, um gleich darauf alles neu herzurichten und frisch zu decken, da die Herrschaften nach dem Essen wieder herauskommen würden.
    So konnten Fulminacci und de Simara vorübergehen, ohne durch neugierige Fragen wegen ihres Zustands aufgehalten zu werden – der eine sichtlich verwundet, der andere ohne Hemd, den Rock nachlässig um die Schultern gehängt.
    Fulminacci hatte darauf bestanden, dass der Bischof sich als Erstes, ehe er sich um etwas anderes kümmerte, von Melchiorri behandeln ließ, dessen Fähigkeiten als Chirurg weit über den engeren Kreis der Königin hinaus bekannt waren.
    Angesichts der Entschlossenheit, mit der sein Begleiter diese Forderung vorbrachte, schien dem Bischof jeder Widerstand zwecklos und er gab nach. Außerdem wollte er sich gern persönlich davon überzeugen, dass es Pater Wiedenmann gut ging, dessen Überleben im Moment das Wichtigste war.
    Als sie das Laboratorium betraten, sahen sie auf den ersten Blick, dass etwas passiert sein musste.
    Im Speisezimmer, das rechts vom Eingang lag, wimmelte es von Musketieren, die vier gefesselte Männer an der Wand bewachten.
    Capitaine de la Fleur kam seinem Vorgesetzten sogleich entgegen.
    »Mein Gott, Monsieur, Ihr seid verwundet! Schnell, Bruyère, holt
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