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Das Blut der Rhu'u

Das Blut der Rhu'u

Titel: Das Blut der Rhu'u
Autoren: Mara Laue
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nachzulesen, die Patrick hütete wie seinen Augapfel und auf der er buchstäblich schlief; sie lag in seinem Bettkasten. Nicht nur diese Verschlossenheit hatte Cameron zu dem Schluss kommen lassen, dass die Gemeinschaft ein Geheimnis hütete, das ihre Oberhäupter selbst vor den eigenen Mitgliedern verbargen.
    Im Moment interessierte ihn jedoch mehr, was Megan, die Seherin, in der Vision entdeckt hatte, die sie den »Dämonenschrei« hatte ausstoßen lassen. Megan gehörte wie Patrick zu den Ältesten der Gemeinschaft. Da sie gegenwärtig die einzige Seherin war, versetzte sie sich jeden Tag mehrere Stunden lang in Trance und suchte mit ihren besonderen Sinnen nach der typischen Aura, die nur Dämonen umgab. Hatte sie eine aufgespürt, wurde zur Jagd geblasen und ein Team losgeschickt, das die Kreatur erledigte – sofern sie sich auf schottischem Boden aufhielt. Megans Gabe reichte nicht allzu weit über die Grenze hinaus.
    Cameron betrat mit Jack die Kapelle, in der sich schon fast die gesamte Gemeinschaft versammelt hatte. Eine Dämonenfindung sprach sich mit Windeseile herum. Jeder war neugierig zu erfahren, wo Megan diesmal eine Höllenkreatur ausgemacht hatte und wen Patrick als Jagdgruppe zusammenstellen würde. Cameron setzte sich neben Jack auf einen noch unbesetzten Platz in der fünften Bankreihe und wartete.
    Patrick und Megan kamen fast gleichzeitig mit den letzten Gemeindemitgliedern, die nicht unabkömmlich waren. Patrick, ein weißhaariger Mann Mitte sechzig, blickte in die Runde.
    »Meine Freunde, unsere Geduld wurde belohnt. Megan hat endlich wieder einen Dämon aufgespürt.« Er nickte Megan zu.
    Auch sie war bereits in den Sechzigern, eine zerbrechlich wirkende kleine Frau, die aber eine machtvolle Ausstrahlung besaß. Cameron beugte sich gespannt vor.
    »Edinburgh«, verkündete Megan in einem Tonfall, als würde sie einen lange vermissten Verwandten begrüßen. »Und«, fügte sie mit einem strahlenden Lächeln hinzu, »es ist eine der Neun!«
    Während Cameron wie alle anderen jubelte, musste er sich ein Lachen verbeißen. Megan wurde offenbar alt, sodass ihre Gabe nachließ. Oder es lag daran, dass sie seit vierundzwanzig Jahren keinen der Neun mehr gespürt und deshalb vergessen hatte, wie sich deren typische Ausstrahlung anfühlte. »Die Neun«, das war der Dämonenclan der Rhu’u. Die Gemeinschaft des Lichts war ihrer Legende nach von einem Engel dazu berufen worden, ihr ganzes Leben der Aufgabe zu widmen, diesen schlimmsten aller Dämonenclans auszurotten und seine Mitglieder so lange zu jagen, bis auch der Letzte von ihnen unwiederbringlich tot war. Das war der Preis gewesen, den Gott durch seinen Engel dafür verlangt hatte, dass er die ersten vierzehn Mitglieder der Gemeinschaft davor bewahrt hatte, von den Engländern abgeschlachtet zu werden, als ihr König Edward I. »Longshanks« in Schottland eingefallen war, um es zu erobern.
    Die Rhu’u waren so mächtig, dass es immer nur neun von ihnen gab. Manchmal weniger, aber niemals mehr. Was Cameron an Megans Behauptung zum Lachen reizte, war die Tatsache, dass die Rhu’u sich nicht erst, seit die Gemeinschaft des Lichts vor vierundzwanzig Jahren beinahe ihr letztes neugeborenes Mitglied ermordet hatte, so gut tarnten, dass es höchst unwahrscheinlich war, dass der Dämon, den Megan ausgemacht hatte, einer von ihnen sein konnte. Erst recht passte Edinburgh nicht in das Raster, das die Gemeinschaft seit Jahrhunderten über die Orte erstellte, an denen Rhu’u-Sichtungen bestätigt waren. Sie bevorzugten kleine, manchmal sogar abgeschiedene Orte, in denen jeder jeden kannte und alle Nachbarn im Brustton der Überzeugung jeden Eid schworen, dass der Nachbar und die Nachbarin Mac-Irgendwas nichts als nette Menschen waren, die mit ihnen sonntags sogar in die Kirche gingen.
    Cameron bezweifelte, dass bei dieser perfekten profanen und magischen Tarnung irgendein Rhu’u so unvorsichtig sein könnte, sie aufzugeben oder auch nur zu vernachlässigen. Schließlich wussten die Rhu’u, dass die Gemeinschaft hinter ihnen her war, die in der Vergangenheit schon so manches ihrer Mitglieder getötet hatte.
    Nachdem sich der Jubel gelegt hatte, ergriff Megan wieder das Wort. »Es ist eine Frau, rothaarig und grünäugig wie sie alle.«
    Zumindest das passte, denn diese Merkmale waren typisch für die Rhu’u. Da aber viele Schotten rothaarig waren, lag es nahe, dass sich ein Dämon, der sich in diesem Land als Mensch tarnte, dieses Aussehen nach
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