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Das blaue Mädchen

Titel: Das blaue Mädchen
Autoren: Monika Feth
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Danach würde sie zu ihren Büchern zurückkehren und diese Welt aus Buchstaben und Gedanken zu schützen wissen. Aber Sonja? Sie hatte doch gerade erst begonnen, an ihre Phantasie zu glauben.
    Ich wünsche dir, dass dir Flügel wachsen.
    Und wenn ich abstürze?, dachte Jana. Ich habe doch nur vom Fliegen geträumt und es nie ausprobiert.
    Noch zehn Minuten.
    Indra setzte sich im Bett auf. »Ich friere so, Jana.«
    Jana holte eine Decke aus dem Schrank und breitete sie über Indra aus.
    »Hör zu«, sagte sie leise. »Ich werde gleich mit Miri einen kleinen Spaziergang machen.«
    »Kann sie denn laufen?«
    »Ich trage sie.« Jana lächelte. Es fiel ihr schwer, denn ihr war mehr nach Weinen zu Mute. Sie spürte, wie Panik in ihr hochstieg. »Es kann ein bisschen dauern. Du hast doch keine Angst, eine Weile mit Linn allein zu bleiben, oder?«
    Indra schüttelte den Kopf. »Ich bin ein tapferes Mädchen.«
    »Das bist du.« Jana gab ihr einen Kuss. »Ich bin stolz auf dich, Indra.«
    Der Gongschlag.
    Jana nahm eine zweite Decke aus dem Schrank und ging zu Miris Bett hinüber.
    »Miri?«
    Miri öffnete die Augen, aber sie fielen ihr sofort wieder zu. Jana setzte sich auf die Bettkante. Vorsichtig fasste sie Miri unter den Armen und richtete sie auf. Miris Kopf sank an ihre Schulter.
    »Ich nehme dich jetzt mit«, flüsterte Jana und schlang die Decke um den kleinen Körper. »Wir müssen mucksmäuschenstill sein, damit uns niemand hört.«
    »Ganz viel Wasser«, murmelte Miri. »Überall.«
    Jana hob sie aus dem Bett und ging zur Tür.
    »Ich passe solange auf Linn auf«, sagte Indra. »Soll ich ihr eine Geschichte erzählen, wenn sie wach wird?«
    »Gute Idee, Indra. Aber ihr müsst beide liegen bleiben. Versprichst du mir das?«
    »Bei der hochheiligen Mondheit«, sagte Indra feierlich.

    Es regnete so heftig, dass der Waldweg ganz aufgeweicht war. Marlon hatte den Pfarrer im Wagen zurückgelassen und ging jetzt auf der Lichtung auf und ab. Bei jedem Schritt gluckste es unter seinen Füßen.
    Sie hatten überlegt, einen Krankenwagen zu rufen, aber der wäre zu auffällig gewesen und so hatten sie sich entschieden, den Wagen des Pfarrers zu nehmen, der zuverlässiger und schneller war als der klapprige Ford der Eltern.
    Der Pfarrer hatte mit dem Krankenhaus telefoniert und danach einen Freund angerufen.
    »Er verfügt über wichtige Kontakte«, hatte er gesagt. »Wenn uns einer weiterhelfen kann, dann er.«
    Mara und Timon waren zum Zeitpunkt ihrer Flucht volljährig gewesen. Auf Jana und Miri traf das nicht zu. Sie aus der Sekte herauszuholen, hatte der Pfarrer erklärt, sei äußerst problematisch.
    »Vielleicht sollten wir Sie dann doch besser nicht mit da reinziehen«, hatte Marlon gesagt.
    »Und wenn diesem kleinen Mädchen etwas zustößt?«, hatte der Pfarrer gefragt. »Glaubst du wirklich, ich brächte es fertig, mir die Hände in Unschuld zu waschen wie Pontius Pilatus?« Er hatte den Kopf geschüttelt. »Wenn das Mädchen tatsächlich so krank ist und ihre Eltern auf die Heilkünste dieser La Lune vertrauen und keinen Arzt holen, dann stehen die Chancen gut, sie alle wegen unterlassener Hilfeleistung anzuzeigen.«
    »Und was ist mit Jana?«, hatte Marlon gefragt.
    »Eins nach dem anderen«, hatte der Pfarrer gesagt. »Zuerst bringen wir Miri ins Krankenhaus, dann schaffen wir Jana an einen sicheren Ort.«
    Marlon sah auf die Uhr. Er wischte sich über das nasse Gesicht. Beeil dich, Jana, dachte er, beeil dich. Und sei vorsichtig.

    Jana öffnete die Tür und spähte hinaus. Was, wenn sich ein Kind des Mondes verspätet hatte und sie ihm genau in die Arme lief? Vielleicht wartete sie besser noch einen Moment.
    Große Pfützen hatten sich auf der Straße gesammelt. Durch den Türspalt beobachtete Jana, wie der Regen fiel. Sie würden in kürzester Zeit bis auf die Haut durchnässt sein. Sie zog die Decke ein Stück höher, damit Miri so gut wie möglich geschützt war.
    Lange konnte sie nicht mehr warten. Miri wurde immer schwerer. Schon jetzt taten Jana die Arme weh. Sie hatte Mühe, Luft zu bekommen, die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
    Jeden Augenblick konnte etwas Unvorhergesehenes geschehen. Vielleicht kam Judith früher vom Essen, um sie abzulösen. Vielleicht hatte La Lune beschlossen, noch einmal nach Miri zu sehen. Vielleicht hielt Indra sich nicht an ihr Versprechen, im Bett liegen zu bleiben. Vielleicht hatte sie Verdacht geschöpft und kam gleich schreiend in den Flur gerannt.
    Miri murmelte etwas,
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