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Das blaue Mädchen

Titel: Das blaue Mädchen
Autoren: Monika Feth
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zu lange fortgeblieben, oder ob sie andeuten wollte, die Beziehung zwischen Jana und Miri sei zu eng. Aber das war jetzt unwichtig.
    »Wie geht es ihr?«, fragte sie.
    »Unverändert«, antwortete Judith. »Jede Krankheit hat ihre Zeit.«
    Alles hat seine Zeit, dachte Jana. Auch die Zweifel. Und wenn diese Zeit vorbei ist, was kommt dann? Klarheit?
    »Du erkundigst dich gar nicht nach Indra und Linn«, sagte Judith.
    »Das hätte ich schon noch getan.« Jana bemühte sich, nicht zu scharf zu klingen.
    Doch Judith hatte ein feines Gehör. »Bist du sicher?«
    Jana ging nicht darauf ein.
    »Hat Miri inzwischen ein Mittel gegen die Schmerzen bekommen?«
    Judith hatte frischen Tee aufgebrüht und goss ihn nun durch ein Sieb.
    »La Lune war bei ihr. Sie hat ihr Kraft gegeben.«
    Kraft gegeben. Jana kam sich vor, als würde sie gegen eine Mauer rennen.
    »Und wenn es eine Hirnhautentzündung ist, Judith? Ich war gerade in der Bibliothek und habe in einem Lexikon nachgesehen. Miris Symptome sprechen dafür.«
    Judith fuhr zu ihr herum, so heftig, dass Jana einen Schritt zurückwich.
    »Ich will nichts davon hören, Jana! Miris Seele ist verwirrt. La Lune wird sie heilen und dann werden auch die Schmerzen vergehen.«
    Es war sinnlos. Jana durfte Judith nicht gegen sich aufbringen.
    »Du hast Recht«, murmelte sie. »Ich bin zu ungeduldig.«
    »Ja, das bist du.« Judith war besänftigt und lächelte sie an. »Jung und ungestüm. Vertrau auf die Mondheit. Sie wird dir den rechten Weg weisen.«
    Die Mondheit führt ihre Kinder sicher durch das Dunkel der Nacht.
    »Danke für dein Verständnis, Judith.«
    »Schon gut.«
    Jana ging in den Schlafsaal, sah pflichtschuldig zuerst nach Indra und Linn, die beide schliefen, und trat dann auf Zehenspitzen an Miris Bett.
    »Ich bin wieder da, Miri.«
    Miri versuchte, sich aufzusetzen, sank aber wimmernd zurück.
    Die Wasserschüssel stand noch auf dem Boden. Jana tupfte Miri das Gesicht ab, kühlte ihr Stirn und Arme. Sie zog das zerwühlte Bettzeug glatt und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett.
    Wieder fiel Miri in einen unruhigen Schlaf und Jana bewachte ihn.

    Auf dem Heimweg überlegte Marlon, wie er vorgehen sollte. Den Hausarzt einzuweihen hatte wenig Sinn. Wenn Janas und Gertruds Vermutung stimmte, würde er Miri sowieso in ein Krankenhaus einweisen. Sie würden nur einen Umweg machen und kostbare Zeit verlieren.
    Zuallererst musste er mit seinen Eltern sprechen.
    Und einen klaren Kopf behalten.
    Aber wie sollte das gehen, wenn die Dinge sich plötzlich so überstürzten?
    Sein Vater hatte damit angefangen, die Stallwände zu weißen. Er trug die Klamotten, die er immer anzog, wenn Malerarbeiten zu erledigen waren. Hose und Jacke und sogar die Kappe, die er aufgesetzt hatte, waren steif von getrockneten Farbflecken.
    »Papa«, sagte Marlon, »ich muss mit dir und Mama reden.«
    Wenig später saßen sie am Küchentisch und Marlon fasste so knapp wie möglich zusammen, was er zu sagen hatte.
    Die Empfindungen seiner Mutter konnte er an ihren Händen ablesen, die rastlos über die Tischplatte fuhren, an ihren Mund wanderten, über ihren Hals glitten und wieder auf die Tischplatte sanken. Sie unterbrach ihn nicht, sah ihn nur unverwandt an.
    Auf dem Gesicht des Vaters spiegelten sich abwechselnd Bestürzung, Wut und Ratlosigkeit. Er hatte die Kappe abgenommen, drehte sie in den Händen, drückte sie zusammen und strich sie wieder glatt. Eine Weile war es so still in der Küche, dass Marlon meinte, sein Herz schlagen zu hören, doch dann wurde ihm bewusst, dass es die Bässe der Musik waren, die von morgens bis abends aus den Zimmern der Zwillinge drang.
    »Nein!« Der Vater schob heftig den Stuhl zurück. »Nein! Ich will mit denen da nichts zu tun haben!« Er ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Lass ihn.« Die Mutter hielt Marlon am Arm fest. »Du kennst ihn doch. Er muss erst nachdenken.«
    »Dazu haben wir keine Zeit, Mama.«
    »Ich weiß. Mein Gott! Das arme Kind!«

    Miri war ruhiger geworden, aber es war keine gute Ruhe. Es war, als fühle sie sich zu matt, um sich bewegen zu können. Sie dämmerte vor sich hin, wachte auf, suchte Jana und schloss die Augen wieder.
    Ihr Gesicht schien von einer Stunde auf die andere schmaler geworden zu sein. Spitz ragte ihr Kinn hervor und unter ihren Augen lagen Schatten. Sie murmelte Worte, die Jana nicht verstand, und knirschte mit den Zähnen.
    Jana versorgte Indra und Linn mit Tee und Sud, begleitete sie zur Toilette,
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