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Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Titel: Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
Autoren: Ellen Berg
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ihren Wagen. Es war alles aus.
     
    Wie durch ein Wunder landete Niki unfallfrei im Carport ihres adretten Einfamilienhauses. Sie hatte ein paar rote Ampeln überfahren und nur um Haaresbreite eine antriebsschwache Rentnerin verfehlt, die in Zeitlupe einen Zebrastreifen überquerte. Wie sie alles hasste! Wolfgang. Seine Geliebte. Am meisten aber sich selbst.
    Nachdem sie ausgestiegen war, blieb sie einen Moment lang stehen. Voller Bitterkeit betrachtete sie das Haus, das so viele Jahre ihr Daheim gewesen war, ihre Burg, ihr warmes Nest. Der zweistöckige Bau lag auf einer kleinen Anhöhe, umgeben von einem anmutig verwilderten Garten mit blühenden Büschen und alten Obstbäumen. Die grüngestrichenen Fensterläden, die strahlend weiß verputzten Mauern und das weit heruntergezogene Ziegeldach verliehen dem Haus jene Gemütlichkeit, die Niki vom ersten Augenblick an angezogen hatte. Hier hatte sie mit Wolfgang alt werden wollen. Vorbei.
    Während ihr Ströme von Tränen über die Wangen liefen, schloss sie die Haustür auf, lief ins Wohnzimmer und warf sich auf die Couch. Hemmungslos weinte sie in ein Sofakissen. Was hatte sie denn erwartet? Dass ein attraktiver Mannwie Wolfgang allen Ernstes eine Vollfettstufe liebte? Ausgerechnet Wolfgang, der regelmäßig ins Fitnessstudio ging und eine Figur besaß, auf die selbst Brad Pitt neidisch gewesen wäre?
    Es gibt Situationen im Leben, in denen man eine gute Freundin braucht. Glücklicherweise hatte Niki gleich mehrere gute, na ja, ziemlich gute Freundinnen. Doch was hätte sie schon zu hören bekommen? Vermutlich liebreiche Sätze wie: »Sieh dich doch an – du hast dich gehen lassen. Hast alles in dich reingestopft, was nicht bei drei im Kühlschrank war. Jetzt bekommst du die Quittung!« Nein, diese Art von Trost konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen.
    Wenn doch wenigstens ihre Tochter Peggy noch da gewesen wäre. Doch die lebte ihr eigenes Leben und ließ sich nur noch selten zu Hause blicken. Besonders herzlich war das Verhältnis schon länger nicht mehr. Ein, zwei Anrufe im Monat, ab und zu ein Pflichtbesuch, zu mehr reichte es nicht. Peggy war vierundzwanzig und als angehende Juristin äußerst zielstrebig. Eine junge Karrierefrau, im Gegensatz zu ihrer Mutter. Niki war allein. So allein, wie man nur sein konnte.
    Wieder stieg das Bild der unerträglich jungen, hübschen und grässlich dünnen Frau in ihr hoch. Es tat verflucht weh. Wer konnte schon wissen, wie lange das bereits lief mit den beiden? Tage? Wochen? Monate? Brutal hieb Niki auf das Sofakissen ein. Ha! Überstunden! Dienstreisen! Der alte Trick! Gut, sie war vielleicht nicht die hellste Lampe am Leuchter, obwohl man ihr einst einen ansehnlichen IQ bescheinigthatte. Aber wie dämlich musste man eigentlich sein, um einem Mann solche lachhaften Ausreden abzukaufen?
    Sie war rettungslos dusslig gewesen, soviel stand fest – blind wie ein Maulwurf und naiv wie eine Vierjährige, die noch an den Weihnachtsmann glaubt. Wenn Wolfgang doch wenigstens etwas gesagt hätte. Aber er hatte sich nie beschwert. Warum war ihr nicht aufgefallen, dass er sich immer seltener zu Hause aufhielt? Warum hatte sie keinen Verdacht geschöpft, als er begann, sie sogar an den Wochenenden allein zu lassen? Daheim auf dem Sofa, wo sie sich einen Liebesfilm nach dem anderen reinzog, gut versorgt mit übergroßen Eiscremebechern? Nachdem sie eine ganze Kleenexschachtel durchgeheult hatte, fasste Niki einen Entschluss. So leicht würde sie sich nicht geschlagen geben. Sie würde um Wolfgang kämpfen. Mit allen Mitteln. Selbst wenn sie dafür, tja, abnehmen musste.
    Erschöpft schleppte sie sich ins Badezimmer. Die Wände waren rosa gekachelt, eine Farbe, die sie gegen Wolfgangs Widerstand durchgesetzt hatte, so wie die rosa geblümten Gardinen und die verschnörkelten, goldfarbenen Wasserhähne. Nikis Schuhe flogen in eine Ecke. Dann zog sie ihr Kleid und die teuflisch enge, figurformende Wäsche aus, in der sie aussah wie eine geplatzte Fleischwurst. Todesmutig stieg sie auf die Waage. Das hatte sie seit Menschengedenken nicht mehr getan.
    Sie brauchte einen Moment, um die Zahl zu verkraften. Achtundneunzig Kilo. Die Schlagkraft eines linken Hakens hätte kaum vernichtender sein können.
Achtundneunzig Kilo?
    Beklommen stellte sie sich vor den goldgerahmten Spiegel am Fenster, der bis zum Boden reichte. Betrachtete ihre braunen Locken, die grünen Augen, den sinnlich geschwungenen Mund. Eigentlich war sie doch noch ganz
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