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Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Titel: Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
Autoren: Ellen Berg
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zuerst den Käse verspeist und dann einander. Von der ersten Minute an war klar gewesen, dass sie zusammengehörten und immer zusammenbleiben würden. Liebe auf den ersten Blick, ja, so etwas gab es wirklich.
    »Etwas zu trinken, die Dame?« Die Stewardess hielt Niki ein Tablett mit Champagnergläsern hin.
    Niki griff zu. »Und, äh, bekommt man hier auch was zu essen?«
    Die Köpfe ihrer Sitznachbarn wandten sich ihr ruckartig zu. Niki versank vor Scham. Man musste kein Hellseher sein, um die Gedanken ihrer Mitreisenden zu lesen: Fett wie ein Krapfen, und denkt nur ans Essen.
    Sie räusperte sich. »Ich meine, nicht, dass ich Hunger habe, ich frag nur so.«
    Dabei hatte sie seit ihrer Kuchenorgie keinen Bissen zu sich genommen. Ihr Magen war ein riesiges schwarzes Loch im unendlichen Universum ihres Körpers.
    Die Stewardess verzog keine Miene. »Selbstverständlich servieren wir in der Ersten Klasse ein Dinner, sobald die Anschnallzeichen erloschen sind. Sie haben die Wahl zwischen Zanderfilet an Lachsschaum, Hühnchen in Weißweinsauce und Bœuf Bourguignon.«
    Die Herren feixten. Niki sah es genau. Sie straffte ihre Schultern. Denen würde sie es zeigen. Sie war rund, na und? Sie konnte eben genießen, im Gegensatz zu den hohlwangigen Elendsgestalten mit Streichholzärmchen, die diesen Typen gefielen.
    »Zander, Hühnchen, Bœuf Bourguignon – ich nehme an, das sind die Vorspeisen«, flötete sie. »Ich hätte sie gern alle drei. Und was ist der Hauptgang?«
     
    Es war schon dunkel, als die Maschine hart aufsetzte. Niki rieb sich die Augen. Sie hatte fest geschlafen, nachdem sie die lachhaft winzigen Portionen des Menüs eingeatmet hatte. Stöhnend befreite sie sich aus der Zumutung, die diese Airline Sitz nannte.
    »Einen schönen Abend noch«, sagte sie zuckersüß zu ihren Sitznachbarn. »Hoffentlich bekommen Sie daheim was Anständiges zu essen.«
    Während sie am Gepäckband auf ihren Koffer wartete, fischte sie einen Zettel aus ihrer Handtasche und las die darauf gekritzelte Adresse. Beauty Resort Vitalis, Seestraße 33. Was erwartete sie dort? Ein Einlauf zur Begrüßung und Sit-ups bis zum Morgengrauen? Worauf hatte sie sich bloß eingelassen?
    Als sie wenig später am Taxistand auf einen freien Wagen wartete, fiel ihr eine Frau auf, die es an Leibesfülle locker mit ihr aufnehmen konnte. Sie war massig wie ein Sumoringer und trug einen weinroten Jogginganzug, der jeden einzelnen Wulst ihrer unförmigen Gestalt betonte. Darüber hattesie eine viel zu kleine schwarze Lederjacke gezogen. Das pechschwarz gefärbte Haar und der lila geschminkte Mund vervollständigten den Eindruck, dass hier ein weiblicher Vollproll unterwegs war.
    Die Frau stand etwas entfernt in der Warteschlange, doch plötzlich hob sie ihre prall gefüllte Plastiktüte an und drängelte sich zu Niki durch.
    »Sagen Sie nichts, Sie rosa Nilpferd«, legte sie los. »Sie wollen ins Vitalis, so wie Sie aussehen. Stimmt’s?«
    Sprachlos stand Niki da. Was war denn das für eine Unverschämtheit? Und woher wusste diese unmögliche Person, was sie vorhatte?
    »Nun klapp mal deinen Kiefer zu«, sagte die Frau. »Ich bin Walburga. Wir können uns gleich duzen, das machen am Ende sowieso alle. Ich fahr schon zum dritten Mal in die Folterkammer. Und du? Zum ersten Mal hier? Egal, wir können uns das Taxi teilen.«
    Kalte Wut kroch in Niki hoch. »Ich mache einen – Wanderurlaub in der Schweiz«, sagte sie abweisend. »Und ich wüsste nicht, wieso …«
    »Lass mal stecken«, wiegelte die Frau ab, die ungefähr in Nikis Alter sein mochte. »Geschätzte hundert Kilo Lebendgewicht wandern nicht. Sie rollen höchstens die Berge runter. Komm schon, Notfälle wie wir müssen zusammenhalten!«
    In diesem Moment hielt ein freies Taxi neben Niki. Walburga stieß einen gellenden Pfiff aus, hob ungefragt Nikis Koffer an und wuchtete ihn zusammen mit ihrer Plastiktüte in den Kofferraum. Dann zwängte sie sich auf den Rücksitz.
    »Hallo, fertig zum Schwertransport!«, rief sie Niki zu. »Oder willst du warten, bis dich morgen früh der Putztrupp aufwischt?«
    Widerstrebend setzte sich Niki neben sie. Walburga nannte dem Fahrer die Adresse, und schon schoss das Taxi davon. Niki sah schweigend aus dem Fenster. Sie hatte beschlossen, das Grauen in Menschengestalt neben sich abgrundtief zu hassen. Woher hatte diese Person überhaupt so viel Geld, dass sie sich das Vitalis leisten konnte? Banküberfall? Mafia? Drogen? Alles schien möglich.
    Aus dem Augenwinkel
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