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Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Titel: Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
Autoren: Ellen Berg
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geschwollenen Füße in klobigen Gesundheitsschuhen?
    Der Wartebereich vor ihrem Gate war angefüllt mit ernst dreinschauenden Herren, die auf ihren Laptops herumhackten oder lauthals telefonierten. Niemand würdigte sie eines Blickes. Sie war unsichtbar, eine tranige Matrone, der niemand Beachtung schenkte. Unruhig rutschte sie auf dem unbequemen grauen Schalensitz hin und her.
    »Der Flug drei-zwei-neun-acht nach Zürich ist nun zum Einsteigen bereit«, ertönte eine Stimme aus den Lautsprechern.
    Niki zuckte zusammen. Das war ihr Flug. Sie war noch nie in Zürich gewesen und hatte keinen blassen Schimmer, was sie dort erwartete – abgesehen von Whirlpools, Wellness und einer holzgetäfelten Bibliothek. Sie zögerte. Sollte sie wirklich losfliegen?
    Der Gedanke daran, wie skrupellos sie Wolfgangs Kreditkarte gequält hatte, machte ihr ein schlechtes Gewissen. Ein billiger Flug war so kurzfristig nicht zu haben gewesen. Das Erste-Klasse-Ticket und die Anzahlung für vier Wochen Hotelaufenthalt hatten ein Vermögen verschlungen.
    Sie gab sich einen Ruck. Nicht sie, Wolfgang war es, der gefälligst ein schlechtes Gewissen haben sollte. Ciao, du Mistkerl, dachte sie grimmig. Verschlucken sollst du dich an deiner halben Portion. Wenn ich in vier Wochen wiederkomme, schlank wie eine Tanne, wirst du mich um Gnade anbetteln. Diese wundervolle Vorstellung verlieh ihr die nötige Energie, um aufzustehen und sich in die Schlange der einsteigenden Passagiere einzureihen.
    Das Innere des Flugzeugs erwies sich als Herausforderung. Peinlich berührt, betrachtete Niki ihren Sitz, der offensichtlich für Kleinstkinder gedacht war. Wie um Himmels willen sollte sie da hineinpassen? Die Herren rechts und links von ihr sahen sie vorwurfsvoll an, als sie sich auf den Mittelplatz quetschte. Keiner von ihnen sagte ein Wort, kein »Hallo«, kein »Guten Abend«. Der smarte Typ im dunkelblauen Anzug zur Rechten zog lediglich eine Augenbraue hoch.
    Sie hüstelte nervös. Das ging ja gut los. Die Armlehnen schnitten tief in ihren Rippenspeck, und sie musste ihre umfangreichen Schenkel fest zusammenpressen, um nicht die Hosenbeine ihrer Sitznachbarn zu berühren. Niki rechnete fest damit, dass eine der überirdisch dünnen Stewardessen sie in der nächsten Sekunde rauswerfen würde. Schon meinte sie die Ansage zu hören: »Aufgrund des enormen Übergewichts einer Passagierin kann das Flugzeug leider nicht abheben. Wir bitten daher Frau Annika Michels, umgehend auszusteigen.«
    Doch nichts geschah, außer dass die beiden Herren demonstrativ von ihr abrückten. Waren sie etwa angewidert?Sahen sie ein Monster in ihr? Niki versuchte, sich klein zu machen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Eng legte sie die Arme an den Körper und zog die Schultern hoch.
    Wann war sie eigentlich das letzte Mal geflogen? Schwach erinnerte sie sich an eine Reise nach Spanien. Es war Lichtjahre her. Auf jeden Fall hatte der allgemeine Schlankheitswahn dazu geführt, dass die Sitze mittlerweile auf Bonsaiformat geschrumpft waren. Ein klarer Fall für die Menschenrechtskommission der UNO.
    Das Brummen der Turbinen wirkte wohltuend einschläfernd. Sie war fast eingenickt, als eine Stewardess ihr ein heißes Tuch reichte. Dankbar rieb sie sich die Hände damit ab, dann den Nacken. Sie schwitzte. Sie schwitzte eigentlich immer. Lag das etwa am Übergewicht? Darüber hatte sie noch nie nachgedacht. Verstohlen spähte sie zu den beiden Herren, die sich in ihre Zeitungen vertieft hatten. Bemerkten sie überhaupt, dass Niki eine Frau war? Eine Frau aus Fleisch und Blut, die so gern einen einzigen freundlichen Blick bekommen hätte?
    Noch nie war sie allein verreist. Wie sehr sie Wolfgang vermisste! Säße er doch jetzt neben ihr, dann wäre alles gut. Er würde ihr die Hand auf den Arm legen, und sie würde seine Wange streicheln, wie er es gern hatte. Stattdessen saß sie mutterseelenallein im Flieger, ohne männlichen Beistand, während Wolfgang – nicht mal dran denken!
    Dabei hatte alles so romantisch angefangen, damals, als sie ihn kennengelernt hatte. Es war im Supermarkt gewesen, an der Käsetheke. Eigentlich kein romantischer Ort, dochals Wolfgang sich neben sie stellte, mit dem hungrigen Blick eines kulinarisch unterforderten Junggesellen, war es um Niki geschehen. Sie hatte ihm einen aromatischen Bergkäse empfohlen, dazu Feigensenf und ein Früchtebrot. Als sie mit ihren Tüten den Supermarkt verließen, hatte er sie zu sich nach Hause eingeladen. Dort hatten sie
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