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Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)

Titel: Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
Autoren: Ellen Berg
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Schatten, der an eine Mondfinsternis grenzte. Aber hatte sie nicht auf den Schreck eine kleine Belohnung verdient? Das bisschen Kuchen.
    Am Tresen wählte sie ein Stück Cappuccinotorte und zwei Mandelhörnchen aus. Dazu bestellte sie einen extragroßen Latte Macchiato. Dann verzog sie sich in eine ruhige Ecke. Sobald das herrlich sündige Zeug vor ihr stand, waren alle Bedenken verflogen. Was gab es Besseres als den sahnigen Geschmack von Cappuccinotorte auf der Zunge? Was konnte befriedigender sein als das tiefe Behagen, die letzten Krümel eines Mandelhörnchens mit einem großzügig gesüßten Schluck Latte macchiato runterzuspülen?
    Essen ist der neue Sex, sagte Niki immer. Allerdings verschwieg sie lieber, dass es die einzige Variante von Sex war, die ihr geblieben war. Wolfgang hatte sie seit Jahren nicht mehr angerührt. Aber war das nicht normal, nach zweieinhalb Jahrzehnten Ehe und einer erwachsenen Tochter? Es war doch viel wichtiger, dass sie eine wunderbare Freundschaft verband. Wenn sie zusammen im Bett lagen und fernsahen, Niki mit einer Tafel Schokolade und ihr Mann mit seinem Laptop, fehlte ihnen nichts zum Glück. Wirklich nicht.
    Sie schob die leeren Teller von sich. Lecker. Doch richtigrund war die Sache noch nicht. Sie dachte kurz nach, dann orderte sie eine Mousse-au-Chocolat-Schnitte. Das Zeug war köstlich. Sogar eindeutig besser als Sex, wenn sie sich an die zwar angenehmen, aber auch schweißtreibenden Leibesübungen am Anfang ihrer Ehe erinnerte. Echte Leidenschaft spürte sie mittlerweile nur, wenn die Geschmacksknospen ihrer Zunge stimuliert wurden. Zum Beispiel von den feinen Aromen einer Käsesahnetorte.
    Sie leckte sich die Lippen. O ja. Eigentlich konnte sie noch ein Stückchen Käsesahne vertragen. Kalorien hin oder her, darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Eilig winkte sie die Kellnerin heran und bestellte Nachschub.
    Die Käsesahne war eine Offenbarung. Ein Hauch von Creme auf federleichtem Biskuit, abgeschmeckt mit einem Spritzer Zitrone. Der Wahnsinn. Zufrieden lehnte sie sich zurück. Was sich Wolfgang wohl für den Abend ausgedacht hatte? Ob er sie in ihr Lieblingsrestaurant ausführen würde? Ja, ganz bestimmt. Ihr herzensguter Gatte wusste doch, was sie wollte: schlemmen bis zum Pupillenstillstand, eine Flasche Wein und zum Dessert ein, zwei Amaretto. Diese Vorstellung hob ihre Stimmung weiter an. Nur, dass sie immer noch nichts anzuziehen hatte.
    Niki zahlte und machte sich auf zum Kaufhaus ihres Vertrauens. Es lag in einer etwas heruntergekommenen Fußgängerzone, jenseits der glamourösen Einkaufsmeile. Das Pflaster war vermüllt, und die Leute, die an ihr vorbeihasteten, sahen nicht so aus, als ob sie Designermode in Übergrößen vermissten.
    Sie wollte gerade das Kaufhaus betreten, als sie wie vom Blitz getroffen stehenblieb. Starr vor Entsetzen blinzelte sie in die Morgensonne. Was war das? Es dauerte ein wenig, bis ihr Verstand begriff, was ihre Augen sahen. Dort drüben schlenderte Wolfgang entlang – und er war nicht allein. Nun traf es sie mit der Wucht eines Erdbebens, sie taumelte einen Schritt rückwärts. Wolfgangs Hand lag auf der Schulter einer Frau, die ihn verzückt anlächelte. Sie war jung. Sie war hübsch. Sie war DÜNN!
    Nikis Beine knickten ein. Instinktiv klammerte sie sich an den nächstbesten Arm. Er gehörte einem älteren Herrn in einem steingrauen Popelinemantel, dessen spärliches weißes Haar nach allen Seiten abstand.
    »So früh am Morgen, und schon betrunken!«, schimpfte er. »Lassen Sie mich gefälligst los!«
    Doch Niki musste sich festhalten, sonst wäre sie mit Getöse zu Boden gegangen. Verzweifelt krallte sie ihre Finger in den Mantelstoff und schloss die Augen. Sie hatte genug gesehen. Oder war es nur eine Halluzination gewesen? Als sie die Augen wieder öffnete, schmolz ihre letzte Hoffnung dahin wie ein Nougat-Eclair in der Mikrowelle. Wolfgang war stehengeblieben und küsste die junge Frau. Eng presste sie sich an ihn, während seine Hände zu ihrem kleinen, runden Po wanderten.
    Niki dagegen presste sich an einen wildfremden Herrn aus der Abteilung rüstiger Rentner. Vergeblich versuchte er, die schwergewichtige Frau abzuschütteln, die an ihm hing wie ein Koala am Eukalyptusbaum.
    »Haben Sie eigentlich noch einen letzten Rest Selbstachtung?«, blaffte er.
    »Ist mir gerade abhandengekommen«, schluchzte Niki.
    Dann ließ sie den älteren Herrn los und rannte davon, so schnell sie konnte. Blind vor Tränen erreichte sie
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