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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich
Autoren: Thomas Glavinic
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nichts mit Ihrem Buch zu tun?
    Glavinic: Hatte nichts mit meinem Buch zu tun. ( Hehe. ) Er schrieb mir auf meinen bangen Brief zurück, ich solle mir keine Sorgen machen, er sei auch nicht der erste gewesen, dem diese Idee gekommen ist.
    Wir reden darüber, daß ich nachts ohne Licht und Radio nicht schlafen kann, jedenfalls nicht, wenn ich allein bin.
    Kaindlgruber: Wenn Sie nachts Radio hören, hören Sie da Ö1?
    Glavinic: ( Mir reicht’s. Es muß etwas passieren. ) Oft ist es so, daß ich gar nicht Radio höre, sondern Fredl Fesl.
    Kaindlgruber: Da gibt es doch diesen Jodler.
    Glavinic: Den Königsjodler. Aber ich werde Ihnen den jetzt nicht vorjodeln.
    Kaindlgruber: Hätte ich auch nicht verlangt. Wir haben den nächsten Anrufer, Herrn Mustafa. Herr Mustafa, bitte.
    Herr Mustafa: Äh, äh, äh. Äääääh, äh, äh. Daaank fir Seeenduung! Daank! Kann redeeen von Aaangst… ist viel schlimm… auf Laand… ist aaainsam… vieel Aaangst…außen… äh, äh, äh… macht ihr und andere Maaannschen… er ist allaain… Auslander aainzig … Dooorf… aainsam… Aaangst… ähhhhhh, äh, äh…
    Kaindlgruber: Herr Mustafa, Sie meinen, Sie fühlen sich einsam, weil Sie der einzige Ausländer im Dorf sind?
    Herr Mustafa: Niiiecht füühle aainsam! Biiiien aainsam!
    Kaindlgruber: Danke, Herr Mustafa. Der nächste Anrufer ist Herr Schoiswohl.
    Herr Schoiswohl (lallend): Also, ich muß sagen, der Autor scheint ein schlichtes Gemüt zu sein, wenn er… wenn er Fredl Fesl hört!
    Kaindlgruber: Herr Schoiswohl, das ist nicht in Ordnung, daß Sie das sagen!
    Herr Schoiswohl: Also ich, ich höre die GANZE NACHT Ö 1! Und ich schaue Bildung … Bildungsfernsehen! Und ich habe Tausende Bü… Bücher gelesen! Aber das von dem Autor im Studio werde ich… werde ich mir nicht kau… kaufen, weil der Freeedl Feeeeeesl hört!
    Vor der Lesung bin ich mit dem Prinzen bei Umar zum Fischessen verabredet. Als ich über den Karlsplatz gehe, höre ich ein sirrendes Geräusch, gefolgt von einem Krachen. Auf der Straße ist ein Lastwagen mit ausgefahrenem Baggerarm in die Oberleitung der Straßenbahn gekracht. Der Fahrer scheint nichts zu merken, fährt noch ein Stück, es kracht wieder, Funken sprühen, ringsum beginnen Laternenmasten zu wackeln. Das Wackeln und Taumeln pflanzt sich immer weiter fort. Hier und da stürzen die Kabel zu Boden.
    Ich hebe den Kopf. Ich stehe direkt unter einer der Stromleitungen, die von den Oberleitungen zum Straßenrand gespannt sind. Ich springe zur Seite. Neben mir beginnt die Laterne zu wackeln, beinahe stürzt sie um. Zehn oder fünfzehn Passanten merken erst an meinem Verhalten, daß wir nicht nur Zeugen eines Unfalls sind, sondern Beteiligte, und laufen in verschiedene Richtungen, weg von den nun überall herunterkommenden Stromleitungen. Alles geht gut.
    Ich bin über die Schnelligkeit meiner Reaktion überrascht, aber so ist das eben mit Angsthasen, sie haben eine Witterung für Gefahren. Ich beobachte noch eine Weile, wie die Polizei und die Feuerwehr die Straßen absperren. Es entsteht Chaos, weil keine Straßenbahn mehr weiterkommt. Ich hoffe, niemand hatte vor, zu meiner Lesung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen.
    Am Naschmarkt begegnet mir mein schlechtes Gewissen. Wir grüßen einander, ich drücke ihm die Zwei-Euro-Münze in die Hand, er dankt und zeigt auf das Leseexemplar von Die Arbeit der Nacht , das ich mit mir trage.
    »Was hast du denn da?«
    »Ein Buch«, sage ich zögernd.
    »Was denn für eines? Zeig her! Aaah, von Glavinic! Der ist toll! Nicht wahr?«
    Fassungslos schaue ich auf seinen zahnlosen Mund.
    »Kennst du sein erstes?« fragt der Bucklige. »Den Krimi? Den Kamera… Kameramann?«
    »Kameramörder?«
    »So heißt er! Kameramörder! Das ist ein tolles Buch! Hast du es gelesen?«
    »Ich habe nicht viel Zeit zu lesen.«
    Bei Umar treffe ich den Prinzen, wir bestellen uns Wolfsbarsch für zwei. Wir bekommen ein Riesending von Fisch. Etwas juckt mich am Nacken. Ich greife hin, ein Insekt, ich packe es und schleudere es weg. Kurz bevor es hinter der Tischkante verschwindet, sehe ich, daß es ein Käfer war, irgendeine mir unbekannte Art. Sekunden darauf stinkt es am Tisch infernalisch. Was ist jetzt los, frage ich mich, bis ich verstehe, es sind meine Finger, die so stinken, meine Finger und mein Nacken. Ich habe einen Stinkkäfer zu einer Abwehrreaktion getrieben.
    Auf der Toilette wasche ich mich mit Seife ab. Ich rubble, bis mir der Nacken weh tut, ich spüle
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