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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich
Autoren: Thomas Glavinic
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rechte und die linke Hand des Teufels, Vier Fäuste gegen Rio, Vier Fäuste für ein Hallelu …«
    »Ist gut. Jedenfalls, wenn man drei Stunden auf einem österreichischen Bahnhof zubringt und ständig mit diesem unendlichen Ausmaß des Mißlingens zu tun hat, beginnt man zu verstehen, warum jemand wie Trotzki überall Saboteure gesehen hat.«
    »Während wir hier quatschen, habe ich ein Email bekommen. Es ist ein Retourmail. Auf ein Mail, das ich heute nacht geschrieben habe, und an das ich mich nicht im geringsten erinnern kann.«
    »Aber nicht von Denis Scheck.«
    »Nein. Es ist…«
    »Und auch nicht von Michael Krüger!«
    »Ich lese da, ich habe einer alten Malerin geschrieben, was für eine Wahnsinnsfrau sie ist, und ich bedauere, jetzt kommt’s, ich bedauere, daß sie nicht jünger ist und ich sie vor Jahren getroffen hätte…«
    »Sehr höflich ist das nicht. Du hättest schreiben müssen, du bedauerst, daß du nicht älter bist. So rum wäre es richtig gewesen.«
    »Jaja. Sie ist mir jedenfalls nicht böse, sondern findet das sehr nett. Und will mich treffen. Wieso hab ich ihr das bloß geschrieben? Ich kenn die ja gar nicht.«
    »Du warst eben betrunken.«
    »Du bist mir wirklich keine Hilfe.«
    »Es gibt keine Hilfe, sagt Buddha.«
    »Was ist eigentlich aus deiner Malergeschichte für dieses Magazin geworden? Du weißt schon, für die du 2000 Euro bekommen hast. Haben sie die gebracht?«
    »Natürlich haben sie die gebracht. Aber… jetzt fällt mir ein… von denen habe ich nie Geld gesehen. Danke, daß du mich erinnerst. Denen muß ich schreiben.«
    »Wie, jemand bleibt dir 2000 Euro schuldig, und du merkst das gar nicht?!«
    »Ja offenbar.«
    »Das finde ich allerhand.«
    »Ich eigentlich auch.«
    »Übrigens, ich treffe demnächst Journalisten von zwei verschiedenen Zeitungen, die eine Kolumne von mir wollen. Die haben mich für nächste Woche eingeladen.«
    »Mich hat man gerade eingeladen, in Berlin Kissinger zu treffen.«
    »Welchen Kissinger?«
    »Kissinger. Aber ich will nicht. Hab keine Zeit. Außerdem müßte ich den Flug selber zahlen.«
    »Was findest du eigentlich an Bud-Spencer-Filmen schlimm?«
    »Na, daß es Schrott ist.«
    »Du siehst dir doch sicher auch mal was zur Entspannung an.«
    »Ja, Horrorfilme.«
    »Du weißt aber schon, daß das nicht viel besser ist?«
    »Wie soll ich sagen? Es gibt Stimmen, die da meinen, es gebe für das innere Gleichgewicht eines Menschen Zuträglicheres als das Ansehen von Filmen, die einem nächtelang den Schlaf rauben, und obwohl ich der Ansicht bin, daß man ihnen nicht ganz unrecht geben kann, will ich festhalten, daß solche Filme mir auf eine gewisse Art sehr wohl zur Entspannung gereichen.«
    »Moment, Stanislaus ist da… Stanislaus, geh raus zu Konstantin! Spiel mit deinem Freund! Oder geh zu Mama! Ja, so! Nein, draußen bleiben! Ich komme bald!«
    »Hast du übrigens gewußt, daß Konstantin auf Russisch Tschernenko heißt?«
    »Wie, Konstantin heißt übersetzt Tschernenko?«
    »Ja. Hat mir ein Russe mal gesagt.«
    »Aber dann hätte der alte Kerl im Kreml doch Tschernenko Tschernenko heißen müssen.«
    »Hallo? Noch da?«
    »Stimmt. Großer Gott, mir kann man aber auch alles erzählen.«
    »Gräm dich nicht. Mir geht es viel schlimmer als dir. Ich weiß nicht, ob sich mein Buch gut verkaufen wird…«
    »Wird es!«
    »…und ich weiß nicht, ob ich heute nacht nicht ein Email an Denis Scheck geschrieben habe…«
    »Du solltest die Nichtexistenz von Denis Scheck akzeptieren.«
    »…und ob mich das Feuilleton wahrnimmt…«
    »Wird es schon. Und wenn nicht, auch kein Malheur.«
    »So etwas kann auch nur jemand sagen, der von seinem letzten Buch 700.000 Exemplare verkauft hat.«
    »Eigentlich sind es erst 680.000.«
    »Sorry.«
    »Also erstens wirst du bestimmt Erfolg haben. Den Preis kriegst du nicht, aber du kommst auf die Shortlist. Unter die letzten sechs kommst du, auch wenn dann Endstation ist und sie den Preis jemandem geben, auf den sich alle einigen können. Und zweitens, ja, es wird dir kein Trost sein, aber alles samskara ist dukha.«
    »Ein wenig hörst du dich an wie meine Großtante, aber die ist 82.«
    »Weil es stimmt. Buddha sagt, alles Streben ist unbefriedigend. Was immer du machst, es hätte auch besser laufen können. Alles könnte besser sein. Es ist immer unbefriedigend. Du mußt dich damit abfinden, daß alles passieren kann, daß viel passieren wird, viel Gutes, aber daß es auch besser hätte laufen können. So ist
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