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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich
Autoren: Thomas Glavinic
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die Welt.«
    »Was du mir da erzählst, ist ziemlich unbefriedigend.«
    »Nein.«
    »Kommst du zur Lesung ins Museumsquartier?«
    »Wer liest denn da?«
    »Sehr witzig. Kommst du?«
    »Und was wird gelesen?«
    »Ha, ha. Die Arbeit der Nacht .«
    »Ach so. Donnerstag ist das, nicht? Da wollte ich mit Till Fellner Horrorfilme ansehen.«
    »Dann laß dich davon nicht abbringen. Lesungen sind ja langweilig. Und was mache ich jetzt wegen der Emails?«
    »Wegen welcher Emails?«
    »Die ich vielleicht geschrieben habe. Und vielmehr, die ich möglicherweise demnächst mal in der Nacht an irgendwen schreiben werde: Wie verhindere ich, daß sie in die Welt gelangen?«
    »Du könntest dein Mailprogramm so einstellen, daß immer eine Fußzeile mitgeschickt wird: Der Inhalt dieses Mails sollte nur gelesen werden in Berücksichtigung des Umstands, daß der Verfasser Borderline-Psychotiker ist .«
    »Und was werden sich die Leute dann denken?«
    »Daß du Borderline-Psychotiker bist.«

Dreiundzwanzig
    Am Abend findet meine erste Lesung aus Die Arbeit der Nacht statt, unter freiem Himmel im Wiener Museumsquartier. In den Stunden davor habe ich ein paar Interviews, und morgen früh wird die Longlist bekanntgegeben.
    Stanislaus hat mich wenig schlafen lassen in der Nacht, er will seit neuestem morgens aufs Klo gehen, anstatt in die Windel zu machen, weswegen ich um sechs mit ihm rausmußte. Er schlief weiter, ich nicht. Um neun steht er auf, ich lege mich noch einmal hin, als ich aufwache, ist es halb eins. In einer halben Stunde habe ich eine Radiosendung. Live, ich sollte also nicht unbedingt zu spät kommen.
    Mit dem Taxi zum ORF , der Moderator wartet schon. Herr Kaindlgruber, den ich seit der Jurysitzung für den Viennale -Filmpreis nicht mehr gesehen habe. Von Tag zu Tag ist eine beliebte Sendung von Ö1, dem einzigen österreichischen Kulturradio. Zuhörer dürfen anrufen und mitreden. Am Beginn bin ich nervös und stammle. Mensch, das ist live, reiß dich zusammen ! denke ich, und zu meiner Überraschung geht es nach ein paar Sätzen besser. Kaindlgruber ist nett, macht es mir leichter, hat schnell eine neue Frage bereit. Allmählich gewinne ich Sicherheit. Wir reden über Einsamkeit und Angst.
    Kaindlgruber: Und wir haben den ersten Anrufer, Herrn Peschl. Herr Peschl, bitte.
    Herr Peschl: Also ich wollte nur sagen, ich bin auf Seite 64 des Buches, und es ist sehr spannend.
    Glavinic: Danke sehr, das freut mich.
    Kaindlgruber: Danke, Herr Peschl. Die nächste Anruferin ist Frau Mitterlöhner.
    Frau Mitterlöhner: Ich wollte nur sagen, oft ist es so, daß solche Themen in der Luft liegen. Und heute ist es die Einsamkeit! Die Einsamkeit ist ein großes Thema! Weil immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft einsam sind! Das wollte ich nur sagen.
    Kaindlgruber: Herr Glavinic?
    Glavinic: Ja, Einsamkeit ist ein großes Thema. Ich bin aber nicht sicher, daß die Menschen heute einsamer sind als früher. Oder depressiver, Depression ist ja auch ein großes Thema, nicht wahr, es gibt viel mehr depressive Menschen als früher, sagt man, dabei stimmt das vermutlich nicht… laber… dröhn… ( Was rede ich da? Wie komme ich von diesem Blödsinn wieder runter? ) Das ist wie mit dem Feinstaub. ( O Gott. ) Früher gab es sogar mehr Feinstaub als heute, nur wußte es niemand, erst heute wird darüber geredet. ( Ich kann nicht glauben, daß ich das sage. )
    Wir reden über literarische Vorläufer. Kaindlgruber bringt Marlen Haushofer ins Gespräch.
    Kaindlgruber: Und wir haben wieder eine Anruferin, Frau Plank. Bitte, Frau Plank.
    Frau Plank: Ja, ich wollte nur sagen, der Autor hat da ein Motiv aufgegriffen, das es schon gibt, ich denke da an Marlen Haushofer, nicht wahr. Weil geschrieben wurde, es sei ein Plagiat und so. Haushofer, ja, in den sechziger Jahren.
    Kaindlgruber: Herr Glavinic?
    Glavinic: ( Denunziantenschlampe .) Ja, als mir das Buch eingefallen ist, nannten mir Freunde als Vorläufer vor allem Rosendorfer, Großes Solo für Anton. Kannte ich auch nicht. Dann bekam ich einen Brief von Herbert Rosendorfer. ( Ich kriege Briefe von Rosendorfer und du vom Versandhaus .) Darin stand, daß er meinen »Kameramörder« mochte ( oja! ) und gern von mir einen Beitrag für eine Literaturseite hätte, die er in einer Südtiroler Tageszeitung betreut. Ich schrieb ihm zurück, ich hätte keinen Text, aber dafür eine Frage… Ich schilderte ihm mein Problem…
    Kaindlgruber: Das heißt, Rosendorfers Brief kam ganz zufällig und hatte
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