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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen
Autoren: Rachel Hore
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Außerdem hatte sie ja auch kein eigenes Fortbewegungsmittel gehabt. Lucy verschränkte die Arme, starrte aus dem Fenster und versuchte, die nervige Musik zu ignorieren.
    Will sah sie an und drehte die Lautstärke herunter. »Du siehst ziemlich jämmerlich aus«, sagte er.
    »Danke«, erwiderte sie. »Ich versteh nicht, warum es dich so eilig nach Hause zieht.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich möchte die Fahrt hinter mich bringen. Außerdem will ich noch ein paar Dinge erledigen. Ich habe diese Woche den Schneideraum gebucht, und ich muss die Kurzanweisung durchgehen.« Will war freiberuflicher Film-Cutter, und Lucy arbeitete als Produktionsassistentin bei einer TV-Produktionsgesellschaft.
    »Denkst du etwa schon wieder an die Arbeit, Will?«
    »Du hast Glück, dass du nächste Woche freihast.«
    »Ich hab das Gefühl, ich hab’s mir verdient … Oh, sieh nur!«
    Ein Straßenschild war aufgetaucht. Lucy beugte sich vor. »Die Abzweigung. Bitte, Will! Es dauert nur zwanzig Minuten, ich verspreche es dir. Lass uns hinfahren. Bitte!«
    Will, den Lucys impulsive Seite ein wenig irritierte, gab nach und schwenkte das Lenkrad herum.
    »Danke«, flüsterte Lucy und berührte seinen Arm. Er runzelte die Stirn.
    Schweigend fuhren sie weiter. Die enge Straße wand sich zwischen hohen Hecken. Mehrmals mussten sie an die Seite fahren, um Autos aus der entgegengesetzten Richtung vorbeizulassen, während Wills Finger auf das Lenkrad trommelten.
    »Wie weit ist es denn noch?«, knurrte er.
    »Nur noch eine halbe Meile. Schau doch, das Meer!«
    Sie hatten ein Plateau überquert und den Punkt erreicht, wo das Land zu einer hufeisenförmigen Bucht abfiel. Zur Linken beschrieben hohe Klippen eine Kurve, die in einer Landzunge mündete, auf der sich ein Leuchtturm erhob. Die Aussicht nach rechts wurde versperrt von einer Reihe Waldföhren, in denen Saatkrähen ihre Nester gebaut hatten. Die Straße senkte sich nun steil auf eine Ansammlung weiß getünchter Häuser zu, vermutlich begann dort die Stadt.
    Ein anderes Schild kam in Sicht. Es wies nach rechts auf einen Weg, der hinter den Föhren entlangführte. »Der Strand und Carlyon Manor«, las Lucy vor. »Will, halt an! Das ist Carlyon!«
    Will schaute in den Rückspiegel, bevor er scharf auf die Bremse trat. »Um Himmels willen, Lu! Ich dachte, du wolltest in die Stadt.«
    »Will ich auch … aber Carlyon Manor, verstehst du? Da hat Granny gelebt, als sie klein war.«
    Will brummte ungehalten vor sich hin, bog aber trotzdem nach rechts ab. Lucy schaute aus dem Fenster auf die wilden Narzissen in den Hecken, und ihre Laune hob sich.
    Eine halbe Meile weiter gabelte sich die Straße. Eine weiße Tafel, auf der Parkgebühren aufgeführt waren, zeigte nach links zum Strand.
    »Wieder nach rechts«, sagte Lucy.
    Will lenkte das Auto zwischen einem Paar Granitsäulen hindurch und anschließend über eine tiefe Fahrspur. Zu beiden Seiten erstreckten sich frisch gepflügte Felder. Dann kamen eine weitere Biegung und eine kurze Auffahrt, die nach links führte, wo sich, fest verankert in einer langen Steinmauer, ein hohes doppelflügeliges Tor aus Schmiedeeisen befand.
    »Halt an!«, rief Lucy, und Will brachte den Wagen zum Stehen.
    Sie stieß die Beifahrertür mit Schwung auf und rannte zum Tor. Es war verschlossen, und das Vorhängeschloss starrte vor Rost. Frustriert rüttelte Lucy an den Torflügeln und spähte dann durch die Stangen. Sie versuchte, einen Blick auf das Haus zu erhaschen, aber die vielen Bäume versperrten ihr die Sicht.
    »Was für ein Pech«, sagte Will. »Steig ein. Lass uns fahren.« Er ließ den Motor aufheulen, doch Lucy hatte ein Stück weiter eine Stelle entdeckt, wo ein paar Steine aus der langen Mauer auf den Weg gestürzt waren.
    Sie nahm ihre Kameratasche vom Rücksitz, schwang sie sich über die Schulter und lief los. »Dauert nur eine Minute!«
    »Lucy!«, rief Will.
    Sie winkte, ohne sich umzusehen.
    Etwa hundert Yards vom Tor entfernt erreichte sie den Abschnitt der Mauer, wo die Steine abgebröckelt waren. Sie kletterte hoch, sprang ins Unterholz auf der anderen Seite und bahnte sich den Weg durch einen dichten Gürtel aus Bäumen. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen: Vor ihr erhob sich Carlyon Manor.
    Auf den Fotos, die sie in Grannys Schachtel gefunden hatte, präsentierte sich Carlyon als langes, graziös wirkendes elisabethanisches Steinhaus, das zwischen gepflegten Bäumen stand und dessen gewellte Rasenflächen vom Sonnenlicht
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