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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus
Autoren: Stephan M. Rother
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Violett, doch rund um das Fenster war eine Lücke entstanden.
    »Dann los!«, flüsterte Görlitz. Mit zusammengebissenen Zähnen schwang er sich auf den Fenstersims, prüfte den Sitz des Ankers. Schon hing er über dem Seil, begann sich Hand um Hand vorzuarbeiten.
    Aus den Tiefen des Turms die donnernden Schritte, lauter und lauter mit jeder Sekunde.
    Amadeo biss sich auf die Lippen. »Wenn sie hier sind, bevor wir drüben ankommen…«
    »Wenn sie hier sind, während wir noch grübeln, erst recht«, murmelte Rebecca.
    Doch auch sie machte keine Anstalten, durch das Fenster zu klettern, genauso wenig Duarte.
    Ihre Blicke lagen auf Alyssa.
    »Ihr Seil.« Fabio hatte kein Wort gesprochen, seitdem sie den Raum betreten hatten - jedenfalls keines in einer noch lebenden Sprache. Jetzt deutete er auf die Hüfte des commandante .

    Amadeo spürte ein seltsames Gefühl in der Magengegend: Das war derselbe Junge, der letzte Woche reflexartig seine Zigarette hatte verschwinden lassen, als er vor der officina seinem capo begegnet war - und doch nicht derselbe. Stand wirklich Fabio Niccolosi vor ihm oder ein fünftausend Jahre alter Babylonier?
    Duarte nickte, löste das geflochtene Tau und befestigte es um Fabios Körper. Vorsichtig halfen Amadeo und seine Partnerin der Verletzten auf. Noch hielt Rebeccas Pressverband.
    Das schafft sie nie, dachte der Restaurator, wagte es nicht, in Rebeccas Richtung zu sehen.
    Doch hatten sie eine andere Chance?
    Es war Wahnsinn. Amadeo konnte nicht atmen, als er beobachtete, wie sein Azubi sich über den Sims schob, Alyssa an seinen Leib gefesselt wie eine leblose Last. Der Junge schloss beide Hände um das Seil, ließ sich fallen, begann sich voranzukämpfen, Meter um Meter.
    Geisterhaft: Während das Seil nach einer kurzen Strecke unsichtbar wurde, schien Fabios weites babylonisches Gewand in der Finsternis zu leuchten, als könnte der Junge sich durch die leere Luft bewegen. Nicht dass Amadeo sich darüber noch gewundert hätte.
    »Jetzt Sie beide! Ich komme nach, sobald Sie drüben sind.«
    Duarte wandte ihnen den Rücken zu, die Pistole auf die Treppenöffnung gerichtet. Die Schritte, die Stimmen! Sie waren direkt unter ihnen.
    Unmöglich, dachte der Restaurator. Nur noch Sekunden, und die Soldaten würden hier sein. Selbst wenn es Duarte gelang, Amadeo und Rebecca die entscheidende Zeit zu erkaufen. Er selbst würde keine Chance haben.
    »Verdammt!«, knurrte der commandante . »Entweder Sie gehen, oder wir sterben alle drei!«

    Schritte in der Tiefe. »G36 nach vorn!« , bellte eine Stimme.
    Hektisch glitt Amadeos Blick über den Raum, das Mobile aus Spiegeln. Görlitz und er hatten sie in unterschiedlichen Winkeln ausrichten müssen, und bei jeder Bewegung waren unheimliche Geräusche aus dem Boden, den Wänden, der gewölbten Decke zu hören gewesen, mit denen ein verborgener Mechanismus die Einstellungen registrierte. Was, wenn …
    Amadeos Blick ging nach oben. »Oder keiner von uns«, flüsterte er. »Rebecca, deine Pistole! - Commandante , hierher!«
    Überrascht hob Rebecca die Augenbrauen, doch sie zögerte keine Sekunde. Amadeo nahm die Waffe, spannte, zielte … Begriff Duarte, was er vorhatte? Der commandante löste sich von der Treppe, eilte zu Rebecca, zum Fenster.
    Amadeo fasste die Waffe mit beiden Händen und feuerte, in die Aufhängung des Mobiles hinein, eine einzige, glitzernde Verstrebung am höchsten Punkt des Deckengewölbes.
    Der Schuss hallte von den Wänden wider - und wurde im nächsten Moment übertönt durch ein anderes Geräusch, ein Bersten, Donnern und Rumpeln. Der gesamte Turm schien zu wanken, schüttelte sich wie ein waidwunder Gigant. Quadern lösten sich aus der Decke, sausten in die Tiefe, zersplitterten auf dem marmorartigen Boden. Auch der Boden bekam Risse, die sich erweiterten, schneller als ein Atemzug.
    Amadeo sprang beiseite, auf das Fenster zu, wo Rebecca noch ausharrte, Duarte sich schon nach draußen schob. Rufe, Schreie von der Treppe her. Schemenhafte Umrisse, die sich bewegten.
    Neue Erschütterungen. Das Gewölbe selbst begann einzubrechen, Spalten klafften in den Wänden.

    Rebecca streckte ihm die Hand entgegen, zog ihn auf den Sims, führte seine Finger zur rauen Oberfläche des geflochtenen Taus.
    Die Nacht schloss sich um ihn, Dunkelheit, in der Tiefe das wimmelnde Gemenge der elektrischen Käfer.
    Er hatte Mühe, sich zu halten. Das Seil, das am Turm keinen festen Halt mehr fand, schien wild umherzuflattern. Amadeo mühte sich
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