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Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)
Autoren: Lena Klassen
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Familie doch wichtiger, als ich gedacht hatte. Oder es ging ihm gegen den Strich, wenn die heile Welt, die man anderen vortäuschte, Risse bekam. Da brauchte er sich eigentlich keine Sorgen zu machen. Wir hatten einen anderen Nachnamen als er, niemand brachte uns mit ihm in Verbindung. Nicht einmal die engsten Freunde meiner Eltern wussten, dass wir mit Vincent Riebeck verwandt waren.
    „Tut mir leid, Alicia, ich muss gleich wieder weg. Ich hab einen wichtigen Termin. Aber du wirst nicht allein sein, Sabine wird sich um dich kümmern. Sie kommt“, er sah auf seine Armbanduhr, „in einer halben Stunde. Es war mir wichtig, dass wir erst mal allein sind, um uns ein bisschen kennenzulernen.“
    „Ich brauche doch keinen Babysitter!“ Ich war ehrlich entsetzt.
    „Oh nein, nein“, protestierte er, „sie wird dir nicht auf die Nerven gehen, versprochen.“ Seine gute Laune war zurückgekehrt. „Sabine ist so etwas wie meine Assistentin. Sie organisiert alles im Haus, kümmert sich um meine Termine und begleitet mich auf Meetings und Reisen.“
    Sabine kümmerte sich also um alles. War ich nicht mehr als ein „Termin“?
    Onkel Vincent bemerkte meine Verstimmung nicht mal. „Für das Essen sorgt Romina, du kannst mit ihr besprechen, was du gar nicht magst, oder du wendest dich an Sabine, wenn du mit irgendetwas nicht zufrieden bist. Du darfst dich im ganzen Haus umsehen, und wenn du Fragen hast, wird Sabine sie dir sicher beantworten. Oder du wartest, bis ich wieder da bin.“
    Ich nickte.
    Onkel Vincent überlegte, ob er noch etwas sagen sollte, um seine Mundwinkel zuckte es.
    „Ich wollte dich immer gerne sehen, Alicia, weißt du. Euch wenigstens mal zu Weihnachten besuchen, oder euch alle hierher einladen. Dein Vater … nun, er und ich … Jedenfalls ist es nicht so gelaufen, wie ich es gerne gehabt hätte. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich finde es nicht normal, dass wir uns gar nicht kennen.“
    „Tja“, sagte ich, „sehe ich auch so.“
    „Mein Bruder hat den Kontakt abgebrochen, nicht ich. Mein Gott, er hat ja sogar den Namen Riebeck abgelegt!“
    „Das ist schon ziemlich heftig“, stimmte ich ihm zu. „Aber es liegt nicht an dir persönlich. Sie haben bloß ständig Angst, ich könnte entführt werden.“
    Mein Vater hatte den Namen meiner Mutter angenommen, als sie geheiratet hatten. Deshalb hieß ich Vanderen und nicht Riebeck, und das war mir durchaus recht. Ich konnte gut darauf verzichten, wie eine Feinkostmarke zu heißen. Allerdings vermutete ich, dass ein findiger Entführer auch so herausfinden würde, dass wir mit dem großen Riebeck verwandt waren.
    „Mir ist klar, dass dein Vater nicht wollte, dass du herkommst“, fügte Onkel Vincent hinzu.
    Wenn du wüsstest, dachte ich. Er hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt. Meine Eltern hatten sich noch nie so heftig gestritten wie in den vergangenen Wochen, aber letztendlich hatte meine Mutter sich durchgesetzt. Seitdem sprachen sie nicht mehr miteinander. Mein Vater hatte erstaunlicherweise kein Problem damit, mich allein mit dem Zug fahren zu lassen, aber es war für ihn unerträglich, dass ich mich auf diesem Anwesen befand. Das würde ich Onkel Vincent, der sich als so unerwartet sympathisch erwiesen hatte, lieber nicht aufs Brot schmieren.
    „Wolltest du es denn?“
    Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Meine Eltern hatten sich wegen dieser Reise gefetzt, doch was ich mir wünschte, hatte keine Rolle gespielt.
    „Oder hast du auch Angst, dir könnte hier etwas passieren?“, hakte mein Onkel nach.
    „Nun ja … ich wollte dich schon gerne mal kennenlernen“, druckste ich herum. „Nur, sechs Wochen …“
    „Ah.“ Er lächelte. „Daher weht der Wind. Du hast Angst, es könnte dir langweilig werden. Warum hast du keine Freundin mitgebracht?“
    Ich riss die Augen auf. „Das hätte ich gedurft?“
    „Natürlich, das Haus ist doch groß genug.“
    „Das hat mir gar keiner gesagt!“
    „Es ist noch nicht zu spät. Wenn du jemanden einladen willst, bitte schön. Ich werde nicht viel Zeit für dich haben.“
    Es schien ihm zu gefallen, dass ich ihn anstrahlte, denn er nickte lächelnd. Überhaupt lächelte er sehr viel, dieser Onkel, oder kam mir das nur so vor, weil mein Vater immer mit einer Grabesmiene herumschlich, die einen das Fürchten lehrte?
    Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich muss jetzt los. Hast du Badesachen mit?“
    „Gibt es denn ein Freibad im Dorf?“ Schon sah ich
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